Vermischtes wird aufgemischt

Wo absolut nichts geschieht, obwohl es immer wieder geschieht: Die hirche/krumbein productions spielen in den Sophiensaelen Zeitung und finden „Heroen des Abseitigen“

Kinder mögen das, Erwachsene auch. Selbst hoch gebildete Philosophen sollen dabei erwischt worden sein: Beim Spiel mit dem Daumenkino. Durch die Finger schnurrt eine bewegte Bildgeschichte, die doch meist an ihren Anfang zurückkehrt: Es passiert etwas, ohne dass sich wirklich etwas verändert.

Die neueste Arbeit der hirche/krumbein productions an den Sophiensaelen ist auch so: Das Regieduo Albrecht Hirche und Kathrin Krumbein lässt sechs Figuren durch das Zeitgeschehen zappeln und dabei immer auf der Stelle treten: Es geschieht nichts, obwohl es immer wieder geschieht. Grundlage dieses Abends, den man als postexistenziales Poptheater bezeichnen könnte, ist die Seite „Panorama“ der Süddeutschen Zeitung vom Vorstellungstag. Die Inszenierung der Freien Gruppe, die aus dem Theater Mahagoni hervorgegangen ist, gibt vor, das dort zu Lesende topaktuell in Theatersprache zu übersetzen. Und weil die Süddeutsche von einem schwedischen Samenspender berichtet, der Alimente zahlen soll, steht auf derBühne ein schwedischer Samenspender, der Alimente zahlen soll.

Der Abend sucht hinter jeder Spalte Sinn und Ironie – und entdeckt „einen Kessel Buntes“ aus „kurzen, aber heftigen Schicksalen“. Die Welt durch die Seiten Vermischtes gesehen ist eine heillos vermischte Welt: Alles geschieht gleichzeitig, alles ist gleich viel wert. Nämlich nichts. Folglich wird jeder Szene der Boden entzogen. Dabei will es dieser Abend aber nicht belassen.

Er inszeniert das Beliebige als Beliebigkeit. Die Figuren stehen betont antitheatralisch im Raum und spielen als spielten sie Theater. Die permanente Doppelung erfährt ihr Pendant in seltsam aberwitzigen Masken und scheinbar nicht gearbeitetem Lichtdesign. Wenn diese Figurenfiguren eine Redaktionskonferenz nachstellen, dann parodieren mit dem Zeitungsgeschäft immer auch sich selbst.

Dennoch sind die losen Szenen von einem Grundgestus des Unbehagens getragen. Es geht diesen Nicht-Helden um das ewig Unaktuelle. Immer wieder verlassen sie ihr vorgegebenes Muster und schmuggeln abseitige Meldungen zwischen die Zeilen: „Berlin, Schauer, vier Tote.“ Der Abend benennt unverblümt alles, was durch das Raster der Medienindustrie fällt. „Systeme stinken“ könnte das Leitmotto dieses harschen Anarchismus sein. Dem würde keiner widersprechen. Genauso wenig, wie der Seite „Panorama“ widersprochen werden kann. DIRK PILZ

Bis 22. 12., 20 Uhr. Sophiensaele, Sophienstraße 18, Mitte