Auf allen Kanälen laufendes Bild

Dicht dran ist auch daneben: Die „Bild“-Zeitung will ins Fernsehen, um „bildtypische“ Inhalte anzubieten und damit aus Boulevard Penunzen zu machen. Und zwar möglichst exklusiv und nah dran an Prominenten, Politik und Sport – wie immer

von HEIKO DILK

Es muss frustrierend sein, wenn man dazu verdammt ist, alltäglich nur am Anfang der Wertschöpfungskette zu stehen – so wie Bild. Ob Dieter Bohlen nun Verona Feldbusch schlägt oder Naddel sich per SMS von Ralph Siegel trennt, Bild ist oft genug am dichtesten dran und steht dann doch nur daneben, wenn Boulevard-Magazine wie „Exclusiv“, „Taff“, „Blitz“ oder „Brisant“ die gleichen Geschichten im Fernsehen erzählen. Nach dem Willen von Chefredakteur Kai Diekmann soll das anders werden. Er denkt zurzeit recht laut darüber nach, wie man im Fernsehbereich mit Inhalten Geld verdienen kann.

Sicher ist bislang nur, dass es kein eigenständiges Format werden soll, wie Springer-Sprecherin Edda Fels betont. Verständlich, dass man Wert auf diese Feststellung legt. Im April 1999 war das Springer-Magazin „Newsmaker“, produziert von der hauseigenen Springer TV, bei Sat.1 gestartet – im März 2000 wurde es wieder abgesetzt. Das Format dümpelte bei einer Quote von acht Prozent dahin und wurde dem eigenen Anspruch, „seriösen, investigativen Journalismus“ für die Bereiche Politik, Unterhaltung und Sport zu machen nicht gerecht. Was am Ende übrig blieb war die Bild-Kernkompetenz Boulevard – präsentiert von Susan Stahnke. Ab Anfang nächstes Jahr, soll nun wieder „das gesamte Themenspektrum, das Bild abdeckt“, so Fels, nicht nur irgendwie ins Fernsehen kommen – sondern Bild soll daran verdienen. Angesichts der Tatsache, dass Springer in diesem Jahr erstmals in der Unternehmensgeschichte Verluste machen wird, und bis 2004 1.400 Stellen abbauen will, sicher keine schlechte Idee.

Und auch wenn Fels einsieht, dass es keine „zwangsweise Verordnung“ für die Sender geben könne, Bild-Material zu erstehen, glaubt sie, „wenn das Produkt überzeugt, dann kaufen die auch“. Was man konkret anbieten möchte, ob vollständige Beiträge oder ungeschnittenes Rohmaterial, wird allerdings noch nicht verraten.

Weil TV-Redaktionen aber auch ohne Bild in der Lage sind, mit Hilfe von Archivmaterial einen Beitrag zu klöppeln, wird wohl das magische Wort „exklusiv“ den Großteil der Überzeugungsarbeit leisten müssen. Dass man bei Bild durchaus nicht davor zurückschreckt, bestimmte Ereignisse unter Ausschluss aller anderen Medien abzufilmen, hat die Hochzeit von Heiner Lauterbach gezeigt, die als Zugpferd für „Bild.de“ dienen sollte und eben nur dort zu sehen war – mit mäßigem Erfolg.

Mittlerweile ist wegen finanzieller und technischer Probleme bei dem Infotainment-Portal zwar nicht mehr viel übrig von dem ursprünglichen Plan, eine Art Fernsehsender im Internet zu machen. Doch daran, dass man die Zeitung gewinnbringend ins Fernsehen bringen kann, glaubt man offenbar noch. Die alte, eigentlich fürs Internet ersonnene Idee, den Reportern ein Team einer hauseigenen TV-Produktionsfirma mit auf den Hausbesuch zu geben, könnte dabei unverändert übernommen werden. Trotz des Flops mit „Newsmaker“ (produziert von der damaligen Firma Springer TV) gibt man sich unerschüttert: „Es ist ja bekannt, dass Axel Springer TV News eine hohe Kompetenz hat“, heißt es aus der Presseabteilung. Vermutlich könnte die für das Medium Fernsehen zuständige Firma also in diesem Bereich mitwirken.

Frank Hoffmann, Leiter des Bereichs „Magazine“ bei RTL, weiß jedoch noch nicht, ob er die Inhalte mit dem Bild-Label kaufen würde: „Wir haben eigentlich auch ohne Bild-Beiträge keine Not, schließlich haben wir ja jahrelang selbst produziert“. Und auch bei ProSieben will man sich erst mal ansehen, was Bild zu bieten hat, signalisiert aber grundsätzliche Bereitschaft. „Wenn wir ein Thema besonders wichtig finden, sind wir selbstverständlich bereit, auch Bildmaterial anzukaufen“, sagt Stefan Vaupel, in der Chefredaktion für Boulevard zuständig. Allerdings: „Wenn es nicht passt, hilft es auch nichts, wenn Bild drauf steht.“

Natürlich geht es nicht um Klatsch

Die Monopolisierung der Information, wie der Elvers-Embryo aussieht, dürfte dabei wohl das kleinste Problem sein. Doch es geht Bild ja nicht nur um Klatsch, sondern – so zumindest der Plan – auch um Sport und Politik. Sandro Viroli, Chef des Familien- und Tagesprogramms beim MDR, ist dementsprechend skeptisch. Er sei nicht bereit, für die „Zweit- oder Drittverwertung der Äußerungen eines Politikers“ Geld zu bezahlen“, sagt er. „Da verzichten wir dann lieber.“

Viele TV-Redaktionen werden sich sicher gut überlegen, ob sie nicht vielleicht doch Exklusiv-Material von Bild kaufen. Denn auch wenn der Bundeskanzler und bekennende Bild-Leser Gerhard Schröder dem Blatt ein Interview gibt und das filmen lässt, heißt exklusiv nun mal, dass es niemandem sonst zugänglich ist. Der Rundfunkstaatsvertrag sieht zwar ein Recht auf Kurzberichterstattung vor, das immer dann greift, wenn öffentliche Veranstaltungen von „allgemeinem Informationsinteresse“ sind. Doch ein Exklusivinterview ist keine öffentliche Veranstaltung, außerdem könnte sich auch hier durchsetzen, was bei der Sport-Berichterstattung gang und gäbe ist: Aus Angst, leer auszugehen, wenn es drauf ankommt, verzichten die Sender auf die günstigen anderthalb Minuten-Berichte und kaufen gleich richtig ein. Da hilft es auch nicht viel, dass die Menschen, die Exklusivverträge abschließen, genau darum nur einen reduzierten Persönlichkeitsschutz genießen. So läßt sich zwar Jenny Elvers filmen oder fotografieren, wenn sie einen entsprechenden Exklusivvertrag abgeschlossen hat, doch ohne diesen Vertrag könnte sie noch stärker auf ihr Privatleben pochen.

Bild könnte sich so nicht nur eine lukrative zusätzliche Erlösquelle sichern, sondern auch ungehemmt und guten Gewissens im Blatt für die entsprechenden Sendungen – damit auch für sich selbst – werben.

Im Verbund mit der „Johannes B. Kerner Show“ und Veronas „Weinkollaps“ (Bild) hat das schon funktioniert: Da saß Bild bei der Kerner-Aufzeichnung im ZDF-Studio, machte Veronas Tränen am nächsten Morgen zum Aufmacher und stand am selben Tag mit der Kamera bei Dieter Bohlen im Wohnzimmer, um sich seine Version der Prügelstory anzuhören. Und während Feldbusch sich im ZDF noch die Tränen trocknete, quengelte Bohlen schon parallel über den Bildschirm – in einem Werbespot für Bild.