Bandsalat

Seit das Mädel im Musikunterricht in der zweiten Klasse mit güldenem Band zum Tanzen ging, schwante mir, dass in diesem Accessoire etwas Anzügliches steckt. Als ich dann bei der Nachtwanderung im Zeltlager mit Holger aus Bremen anbändelte, verhärtete sich der Verdacht. Eine frühpubertäre Stippvisite bei Dr. Müllers machte mich mit Sklavenhalsbändern mit Halterung bekannt. Eine andere Geschichte wäre mein erster Kontakt mit dem Rückholbändel.

Geschlagene Konkurrenten des Bändsel sind erstens der Jojo-Kartenhalter, der genau wie eine Rückholhundeleine funktioniert. Zweitens die Chipkarte (an einer Schnur befestigt, die sich automatisch wieder aufzurrt), die einem Tür oder Skiliftdrehkreuz öffnet. Weit abgeschlagen ist auch drittens das nicht übertragene Kontrollarmband aus Kunststoff, mit einem nicht wieder zu öffnenden Sicherheitsverschluss – bewährt auf Schützenfesten zum Schutz des Festzelts vor dem Übergriff feindlicher Schützenvereine. Diese Bänder gibt es auch in der all-inclusive Ferienclubversion, damit die Einheimischen verirrte Urlauber sofort wieder hinter die sichere Zaungrenze zurückbringen können.

Eher teeniehafte Eingangskontrollen sind die lustigen Stempel mit Motiven wie „Hello Kitty“-Kätzchen, die man nur mit Kernseife wieder vom Handrücken kriegt. Mit denen man aber auch – ungewaschen – am nächsten Tag öffentlich zeigt: Ich war gestern tanzen.

Die Betriebsausflügler auf den Weihnachtsmärkten haben die Entwicklung schon vorausgeahnt und frühzeitig ihre Verbundenheit durch das Tragen von roten Weihnachtsmannmützen über Glühweinfahne ausgedrückt. Durch die Bändsel kann man jetzt auch gemeinsam in die Sommerfrische fahren. Auch dem Herdentrieb der Kegelfahrten, die bevorzugt in vollen Zügen die Korken knallen lassen und dazu Bulletten aus Tupperwaredosen essen, kommt man mit dem Halsband entgegen. Mit der Aufschrift „Kegelschwestern Wanne-Eickel“ passiert es weniger leicht, dass man sich im angetrunkenen Zustand mit der Jungesellenfahrt Jupp Schmitz vermischt. Doch halt – so gesehen sind die Bänder vielleicht doch nicht so vorteilhaft.

Anfang der Achtzigerjahre flemmten die Surferschnitten der Schule zur Cliquenerkennung Surfschnüre an und schweißten sie ums Handgelenk. Letzten Sommer hatten die Glücksbändchen Hochkonjunktur. Diese buddhistischen Schmuckstücke sind im Original aus Jade, im Abendland aber auch in Plastikversion in den Geschenk- und Billigschmuckläden zu erstehen. Ähnlich wie beim roten Band der SPD hat hier jede Farbe ihre tiefe Symbolik und bringt wahlweise Glück, Liebe, Weisheit und anderes Wünschenswertes. Die Perlen schafften es an Helmuth Karaseks Hand sogar bis ins Literarische Quartett und lieferten somit einen weiteren Beweis für die Ausbreitung einer Einheitskultur.

Die Sozialdemokraten bekennen sich durch das Bändertragen auch mal ganz offen zu konservativen Werten. So erneuern sie gemäß ihrer Leitworte die alte Tradition der Burschenschaften und Studentenverbindungen, die immerhin die Initiatoren der ersten deutschen Einheit waren. In den akademischen Verbindungen macht man klar, wer dazu gehört, was man – dem Genossenrot nicht unähnlich – „Farben tragen“ nennt. Die Verbundenheit mit anderen Verbindungen drücken die Studenten aus, indem sie deren Farben zusätzlich zu den eigenen tragen. Das wäre auch eine Überlegung für Koalitionen. JUDITH LUIG