„Wir haben hier eine Pilotfunktion“

Michael Geißler, Geschäftsführer der Berliner Energieagentur, sieht ökologische und ökonomische Wachstumspotenziale für solares Contracting – wenn fossile Energieträger sich weiter verteuern

Die 1992 in Leben gerufene Berliner Energieagentur, eine von bundesweit zehn landesnahen Energieagenturen, ist im Berliner Contracting-Markt ein wesentlicher Mitspieler. Die taz sprach mit dem Geschäftsführer Michael Geißler.

taz: Worin besteht die Aufgabe der Berliner Energieagentur?

Michael Geißler: Wir sind ein Kind der damaligen rot-grünen Landesregierung und haben die Aufgabe, Beratungen zum Energieeinsparen durchzuführen. Contracting ist bei uns ein Schwerpunkt.

Die Agentur wird zu einem Drittel vom Senat getragen und berät nicht nur, sondern tritt auch als Contractor auf. Die Eigentumsverhältnisse und die Mischung der Aufgaben werden in der Branche kritisiert. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Wettbewerbsverzerrung.

Wir haben keine Monopolstellung, wir beteiligen uns wie andere Anbieter an Ausschreibungen. Zudem hat das Land nur eine reine Kapitalbeteiligung. In der Regel beschränken wir uns auf die Beratung der öffentlichen Hand. Neben diesem Regelgeschäft haben wir rund 20 Modellprojekte laufen, wo wir auch als Contractor auftreten. Das war eine Anforderung des Landes Berlin.

Weshalb arbeitet die Agentur als Contractor? Es gibt genügend Anbieter.

In den genannten Fällen geht es um Anlagen-Contracting. Das Problem ist, dass sich viele Contractoren scheuen, auch die Energieversorgung mittels Blockheizkraftwerken (BHKW) zu übernehmen. Wenn wir hier nicht aktiv geworden wären, wäre am Markt deutlich weniger geschehen. Wir hatten und haben hier eine Pilotfunktion.

Wo liegen die Schwierigkeiten?

Die Wärmeversorgung ist technisch, wirtschaftlich und organisatorisch risikoärmer als die Stromerzeugung mittels BHKW. Im Übrigen muss der erzeugte Strom vermarktet werden. Jeder Contractor braucht für 15 Jahre dauerhafte Möglichkeiten zum Stromabsatz und viele Kunden. Das erfordert viel organisatorischen Aufwand.

Wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft aus?

Das Contracting ist ein Wachstumsmarkt, sowohl bei privaten als auch bei Gebäuden der öffentlichen Hand. Dabei wird das Energiespar-Contracting immer bedeutsamer werden. Aus ökonomischen wie auch aus ökologischen Gesichtspunkten wird hier der Schwerpunkt liegen.

Welche Rolle wird das solarthermische Contracting in Zukunft spielen?

Das hängt entscheidend von den Energiepreisen ab. Wenn fossile Energieträger sich weiter verteuern, wird solares Contracting zunehmend interessant. Derzeit ist dieser Bereich aber noch unwirtschaftlich, die Mehrkosten betragen bei einer Vollkostenbetrachtung rund fünf Prozent. Deshalb gibt es auch nur ein Beispiel für solares Contracting in Berlin, und zwar im neuen Tempodrom am Anhalter Bahnhof, wo wir für die Energieversorgung verantwortlich zeichnen.

Warum sollte sich jemand überhaupt für solares Contracting entscheiden? Sonne gibt es doch umsonst.

Wer das entsprechende Geld für die notwendigen Investitionen hat, kann durchaus auf ein Contracting-Modell verzichten. Wem allerdings die finanziellen Mittel fehlen, findet im Contracting eine mögliche Lösung. Interessant ist es auch deshalb, weil der Contractor nur verdient, wenn die Anlage erfolgreich arbeitet. Der Gebäudeeigentümer trägt also nicht das technische und finanzielle Risiko.

INTERVIEW: TILMAN VON ROHDEN