Wenn im Habit das Handy klingelt

Bruder Paulus ist multimedial einsetzbar. Im Internet predigt er täglich über die Schlagzeile der „Bild“-Zeitung, jetzt talkt der Kapuzinermönch auch noch im Fernsehen (So., 13.15 Uhr, N 24). Und zu Weihnachten möchte er am Liebsten eine Daily Show

VON ALEXANDER KÜHN

Das mit den Pfaffen hat ihn doch etwas gekränkt. Man hätte doch einfach Pfarrer schreiben können, fairerweise. Dass das „Verboten“ die geistlichen Berufe ausgerechnet an jenem Tag kollektiv verunglimpfen musste, als Paulus die taz besuchte – dumm gelaufen. Wer konnte aber auch wissen, dass er die Zeitung so genau studieren würde?

Zur täglichen Pflichtlektüre des 42-Jährigen zählen sonst nämlich nur Millionenseller. Allen voran die Bibel, denn Paulus ist Kapuziner, einer von 220 in Deutschland, und nach eigener Aussage ein „ganz normaler Seelsorger“. An zweiter Stelle folgt die Bild, denn im Nebenjob ist Paulus eine Art Franz Josef Wagner in höherer Mission. Da die taz den Gottesmann nicht schon wieder kränken möchte, nehmen wir den letzten Satz zurück und schreiben: ein commentator dei. Denn jeden Morgen erscheint auf www.bruder-paulus.de eine Predigt zur aktuellen Bild-Schlagzeile. Wer den absoluten Genuss will, liest sie nicht, sondern hört sie – denn die sonore Stimme des Bruders tönt von ganz tief auf der Kapuzinergruft. 1.262 Leute haben den Paulus-Newsletter abonniert, 150 weitere erhalten täglich die Bibel-SMS.

Natürlich hört sich das anders an, als wenn F. J. Wagner jetzt auch noch zu uns sprechen würde. Der Briefeschreiber hatte in der Mittwochs-Bild haarscharf erkannt: „Harald Juhnke hat sich um den Verstand gesoffen.“ Paulus wählte gestern poetischere Worte: „Wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst.“ Guter Satz, aber im Original nicht von ihm, sondern von Johannes (Kapitel21, Vers 18).

Probleme mit Bild scheint Paulus nicht zu haben. Schließlich schreibt er nicht für sie, sondern nimmt sie als Aufhänger. „Die klappern alle Themen ab, die das menschliche Herz berühren“, sagt Paulus und unterbricht, weil unterm Habit sein Handy klingelt. Ja, sagt der stämmige Mönch ganz sanft ins Telefon, er werde das seinem Mitbruder gerne ausrichten, wenn er wieder zu Hause sei im Liebfrauenkloster, mitten in der City von Frankfurt am Main. Und lässt das Handy wieder unter der braunen Kutte verschwinden.

Im vergangenen Jahr war Paulus zu Gast in der „Harald-Schmidt-Show“. Neulich hatte dessen Epigone Benjamin von Stuckrad-Barre ihn in seinen MTV-„Lesezirkel“ eingeladen, in einen Sessel im Publikum gesetzt, den moralischen Schiedsrichter machen lassen und ihn penetrant mit „Herr Paul“ angesprochen. „Ich wurde vorgeführt wie die lila Kuh“ – das hat der Bruder selbst gemerkt. Trotzdem kam er ein zweites Mal in die Sendung. Denn für ihn zählt nur eins: „Hier klingt die Stimme Gottes an einer Stelle, wo man sie nicht vermutet.“

Multimedial kommt Gottes Stimme daher. Doch bei den Inhalten ist Paulus alles andere als modern. Sich scheiden lassen und wieder heiraten, das gehe nicht, sagt er im Tonfall der Selbstverständlichkeit. Die Pille sei unmenschlich, weil eine Frau ihrem Körper damit Chemie zuführe. Auch von Kondomen halte er nichts. „Ohne ist das Erlebnis doch eh schöner“, sagt er – und schiebt mit breitem Grinsen ein „wie man mir glaubhaft versichert hat“ nach. Paulus ist nicht wirklich progressiver als die Kollegen Ratzinger und Johannes Paul, doch kommt er im Gegensatz zu den alten Herren aus Rom menschlich rüber.

Das ist neu in der katholischen Kirche – oder zumindest lange nicht mehr dagewesen. Im 13. Jahrhundert gab es mal einen, den nannten sie den Spielmann Gottes. Auf ihn berufen sich die Kapuziner. Franziskus hieß er, und er sprach mit den Tieren. Das tut Paulus auch – und zwar mit ganz hohen. An den Adventssonntagen um 13.15 Uhr talkt er auf N-24 in der Sendung „Ethik“ mit Wirtschaftsgrößen.

Wovon Paulus noch träumt, ist eine tägliche Fernsehshow. Und zwar eine, die „dem ganzen Destruktiven in dieser Welt etwas Konstruktives entgegenstellt“. Einen Tagesrückblick würde er einbauen, ähnlich wie Harald Schmidt, aber aus christlicher Sicht. Mit seinen Gästen würde er über den Sinn des Lebens reden. Und am Anfang würde das tägliche Gebet stehen. Halt eine richtige Pfaffenshow.