Recht und Unrecht

Werder Bremen und Borussia Dortmund trennen sich 1:1 – und mit der Erkenntnis, dass ihr Top-Personal schwächelt

BREMEN taz ■ Vielleicht war’s der bemerkenswerteste TV-Auftritt eines Werderaners am letzten Wochenende: Thomas Schaaf im Sportstudio? Lisztes bei ran? Weit gefehlt! Als am Freitagabend die Talkshow „drei nach neun“ aus dem Studio von Radio Bremen gesendet wurde, saß ein alter grün-weißer Bekannter unter den Zuschauern: Dieter Eilts, eine der zentralen Bremer Spielfiguren der letzten Jahre, lächelte wenige Stunden vor der Top-Begegnung seines SV Werder gegen Borussia Dortmund weit weg von der Mannschaft in eine Fernsehkamera.

So ist das derzeit in Bremen, wo Werder sich im Umbruch befindet: Die Stars werden aussortiert, die Mannschaft eilt von Sieg zu Sieg – und alle sind gut gelaunt. So gut, dass schon halblaut von der Meisterschaft gesprochen wird. Wobei solche Blütenträume natürlich vom Cheftrainer sofort und persönlich unterbunden werden: „Zur Spitze fehlt uns noch einiges“, mahnt Thomas Schaaf. Und am Samstag hat’s sogar mal einen kleinen Dämpfer vom Gegner gegeben: Werder gegen Dortmund 1:1, die Bremer Siegesserie ist gerissen. Die Bremer verpassten es, den Egokitzler, die schwächelnden Bayern, hinter sich zu lassen, und die Dortmunder vermasselten sich die Herbstmeisterschaft. Doch so richtig unzufrieden war weder Schaaf noch sein notorisch hyperkritisches Gegenüber Matthias Sammer.

Werder gegen den BVB – das war Respekt gegen Hochachtung. „Man sieht, wie gut Werder eingestellt ist. Unser Punkt ist insgesamt eher glücklich“, lobte hernach Sammer. „Dortmund ist eine Top-Mannschaft. Wir können heute sehr zufrieden sein“, gab Schaaf zurück. Und beide haben wohl so sehr Recht, wie sie Unrecht haben. Denn Chancen für einen Sieg gab es hüben wie drüben. Mal parierte der großartige Rost gegen den völlig freistehenden Ewerthon, mehrmals rettete Lehmann gegen Bode und Krstajic. Über weite Strecken des Spiels boten beide Seriensieger der letzten Wochen ein tadelloses Unterhaltungsprogramm, das Spiel wogte ordentlich dramatisch hin und her, schließlich schossen Frings (44.) und Ewerthon (55.) zauberhafte Tore.

Und doch litt der Kick am eiskalten Samstag unter den leichten Formkrisen des Top-Personals hüben wie drüben – und unter den fehlenden personellen Alternativen. Herausgespielte Großchancen gab’s nämlich nicht gar so viele. Bei den Dortmundern hatte das Mittelfeld seine Krise genommen: Ricken war Mitläufer, und Rosicky trabte bis auf wenige Ausnahmen – von denen eine zum Ausgleichstor führte – pomadig über den Platz. Dem BVB war anzumerken, dass mit den verletzten Metzelder, Amoroso und Evanilson wichtige Spielkräfte fehlten, die Mannschaft konnte die Schwächen der Mittelfeldstars nur unzureichend auffangen. Bei Werder zeigte sich, wie fragil der Erfolg der letzten Wochen doch ist. Schaaf stellte die beste Mannschaft auf den Platz – aber dahinter hat er auf einigen Positionen kaum Alternativen. Am Samstag lagen die Probleme auf den Flügeln und weiter vorne. Beinahe jeder Werder-Angriff über rechts verpuffte in der BVB-Abwehr, weil Tjukuzu sich nur höchst selten gegen Dede durchsetzen konnte. Links setzte Skripnik zunächst zwar Akzente, war jedoch in der zweiten Halbzeit vollauf mit dem eingewechselten flotten Sörensen beschäftigt. Und vorne wusste Ailton nur selten Produktives mit dem Ball anzufangen. Tjukuzu, Skripnik, Ailton – drei Auswechsel-Kandidaten; dreimal hatte Schaaf keine Alternativen. Die flügelfähigen Bankdrücker Blank und Stalteri sind keine echte Alternative zur Belebung des Spiels, Gleiches gilt für Klasnic und Silva im Sturm. Blank, Silva, Klasnic – zwei Fehleinkäufe, ein Wackelkandidat: Von den Bremer Neuzugängen hat bisher nur Lisztes überzeugt.

Unterm Strich ist das zu wenig. Weshalb Thomas Schaaf wohl Recht hat, wenn er feststellt: „Zur Spitze fehlt uns noch einiges?“ Vor allem Spieler für die zweite Reihe. Weshalb die Verpflichtung des jungen Schweizer Nationalspielers Ludovic Magnin für das neue Jahr dringend geboten war. Denn eines wird wohl kaum passieren: dass Schaaf seinen alten Kumpel Dieter Eilts reaktiviert.

JOCHEN GRABLER