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rund ums alte und neue geldWem die D-Mark wirklich gehört und was nun mit ihren Überresten passiert

Vernichten und opfern

Der Euro kommt, die Deutschmark geht; die D-Mark muss vernichtet werden. Die D-Mark – das sind 28,5 Milliarden Münzen (= 100.000 Tonnen) und 2,8 Milliarden Geldscheine. Plastisch gesagt, ergäben die Banknoten übereinander gestapelt einen Turm, der 30-mal so hoch wäre wie der Mount Everest.

Dieser Vergleich macht die Dimensionen deutlich, die auf uns zukommen. „Auf uns zukommen“ ist natürlich Unsinn; es passiert eben, dies „Ereignis, welches das Prädikat ‚historisch‘ zu Recht verdient“ (FAZ), und man sitzt dann in Mußestunden am Tisch, auf den man die ganzen 1- und 2-Pfennig-Stücke geschüttet hat, die seit 15 Jahren in diversen Teedosen lagen, ordnet die Münzen nach Erscheinungsjahr und Prägeort und hofft auf wertvolle Stücke, die in den Listen von muenzwert.de aufgelistet sind.

Erwartungsgemäß findet man nichts. Komisch eigentlich, dass Münzen von 1949 genauso wertvoll sein sollen wie welche vom letzten Jahr. Dass Geld stinkt, weiß jeder. Die Hände riechen schlecht metallisch nach dem Münzenordnen. Münzen zu ordnen ist so ähnlich wie Stricken, doch Stricken ist letztlich doch produktiver, auch wenn das, was dann entsteht . . . nun ja. Jedenfalls dachte ich dann wie so oft an früher.

An ein Weihnachten Ende der 70er-Jahre. Ich hatte gerade Dostojewskis „Brüder Karamasow“ gelesen. In dem Roman gibt es eine Szene, wo der eine Bruder Geld ins Feuer wirft. Vielleicht ist die Szene auch in den „Dämonen“ drin. Das Geld-ins-Feuer-Schmeißen ist jedenfalls ein großer Akt der Souveränität. Die Szene begeisterte mich als Teenager sehr, und irgendwann einmal nach der Schule nahm ich auch all meine Münzen und warf sie fort, um jemand zu beeindrucken. Zwar bin ich sparsam geprägt, doch meinem souveränen Akt mangelte es trotzdem an der richtigen Souveränität. Letztlich waren es nur ein paar Mark. Die Scheine hatte ich ja bewusst zurückgehalten.

Ein Schulfreund brachte es dagegen weiter und zündete sich mit einem Zehnmarkschein eine Zigarette an. Die Zigarette drehte er aus einer Seite, die er aus der Luther-Bibel rausgerissen hatte. Doch er war genauso wenig gläubig wie seine Eltern. Deshalb war der Effekt auch nur mittelmäßig. Geld zu vernichten schien uns damals ein entschiedenerer Akt der souveränen Profanisierung, als etwa Jesusstatuen oder Politikerplakate anzupissen.

Geld zu vernichten ist im Allgemeinen auch verboten; wie der Ausweis gehört alles Geld dem Staat. Oder genauer: Der Schein des Geldes; seine materiell-sinnliche Erscheinung, das Papier, auf dem es gedruckt ist, ist staatseigen.

Uns gehört nur die Abstraktion des Geldes, der Gedanke sozusagen, nicht das Papier, auf dem er steht. Und das Papier gehört uns erst, wenn die Zeichen und Zahlen auf dem Geld nichts mehr bedeuten. Oder nur noch: muenzwert.de; skurrile Liebhaberei. Andererseits wird das aktuelle Geld schon vernichtet, wenn es eigentlich noch einen Wert haben könnte. Bislang fielen Jahr für Jahr etwa 800 Tonnen Geldmüll an. Anfang nächsten Jahres werden 2.800 Tonnen erwartet. Dies alles wird in jeweils 800 Schnipsel geschreddert, zu Briketts gepresst und im Rahmen des Hausmülls entsorgt.

Kompostieren geht leider nicht, da die Farbe des größtenteils aus Baumwolle bestehenden Geldes giftige Rückstände im Boden hinterlassen würde. Das Geld zu Papier zu recyceln wurde verworfen – zu reißfest und nässebeständig ist das Material. Klopapier aus Geld wäre prima, aber vielleicht nicht so hautfreundlich. Recyclingfirmen stellten aus Geld auch Hartfaserplatten und Koffer her, von denen es aber nur Prototypen gibt.

Das Künstlerduo Hartmann & Babl ließ sich von der Landeszentralbank geschredderte 100 Millionen Mark schenken und flutete damit unlängst den kleinen Wasserspeicher in Prenzlauer Berg. Eine Aktion, die auch nicht mehr Energie frei werden ließ als die blöde tote Kuh, die vor einiger Zeit von einem Hubschrauber als Kunstereignis runtergeworfen wurde.

Man hätte mit den BSE-Kühen so ähnlich verfahren sollen, wie man mit dem Geld verfahren sollte: An einem zentralen Platz hätte man sie verbrennen sollen, als offensives Opfer für den Zivilisationsgewinn, mit Wurst- und Freibierbuden drum rum, anstatt sie dezentral zu entsorgen. Ähnliches sollte mit der ganzen wertlosen Knete geschehen. Ein literarischer Gedanke, natürlich, möglicherweise Rückfall in Barbarei, Talibanismus usw. Aber trotzdem.

DETLEF KUHLBRODT

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