Bahn frei für grundlegende EU-Reform

Die Staaten der Europäischen Union setzen einen Konvent zur Erarbeitung einer europäischen Verfassung ein

LAEKEN/BERLIN afp/taz ■ Die Staats- und Regierungschefs der EU haben auf ihrem Gipfel in Belgien Lehren aus ihren bisherigen Fehlern gezogen. In einer „Erklärung von Laeken“, die den Titel „Europa am Scheideweg“ trägt, konstatieren sie erstmals in deutlichen Worten die Bürgerferne, die Trägheit und Starre der europäischen Organe. Um dies zu ändern, soll ab 1. März 2002 ein gut 100-köpfiger, überwiegend mit Parlamentariern besetzter Konvent Reformvorschläge erarbeiten, die in eine europäische Verfassung münden könnten. Sein Vorsitzender wird der französische Expräsident Valéry Giscard d'Estaing sein.

Bundeskanzler Schröder bezeichnete die Erklärung von Laeken als „historisch“. Sie lasse dem Konvent „alle Möglichkeiten“. Auch Gipfelpräsident Guy Verhofstadt betonte: „Es gibt keine Tabus mehr.“ Zu den Themen gehören unter anderem eine Direktwahl des Kommissionspräsidenten, die Beschneidung der Befugnisse der bisher allmächtigen Ministerräte und die Erweiterung der Rechte des Präsidenten. Die Entscheidung über die Umsetzung der Vorschläge des Konvents liegt aber weiterhin bei den Regierungschefs.

Die geplante EU-Eingreiftruppe wurde auf dem Gipfel für einsatzbereit erklärt. Das parallel geplante Kooperationsabkommen mit der Nato scheiterte jedoch am Widerstand Griechenlands. Nach einer Intervention des britischen Premiers Tony Blair wurde eine Passage in der Abschlusserklärung gestrichen, die die USA davor warnte, ihren Anti-Terror-Krieg auszuweiten.

Die Demonstrationen am Rande des Gipfels verliefen weitgehend friedlich. Zu den Kundgebungen am Freitag und Samstag kamen weniger Teilnehmer als erwartet. HER

brennpunkt SEITE 3 und 4