piwik no script img

DAS THEMA „NATIONALE IDENTITÄT“ INTERESSIERT NUR DAS FEUILLETONAlle wollen den Euro anfassen

So. Die Starter Kits sind raus. Man kann die neuen Euro-Münzen begutachten, kann sie anfassen, in der Hand wiegen. Und? Sehen doch ganz gut aus. Keinen großen Jubel, aber freudiges Interesse melden die Nachrichtenagenturen. Und zwar aus allen beteiligten Ländern. Wenn, wie alte Medienprofis sagen, nur eine schlechte Nachricht eine gute Nachricht ist, dann haben die Blattmacher des Feuilletons gerade schlechte Karten. Während etwa die Rechtschreibreform von diskursivem Pulverdampf begleitet wurde, funktioniert die Einführung des Euro reibungslos.

Dabei müssten die Deutschen doch, wenn wir uns an die Debatten recht erinnern, gerade in kollektiver Winterdepression versinken. Die Leute bräuchten eine nationale Identität, so hieß es. In Deutschland würde die Identität über die D-Mark gestiftet, so hieß es weiter. Und die Folgerung daraus war: Eine transnationale Währung würde die Menschen überfordern. Ohne Heiermann und Fuffi stellte man sich den kleinen Mann, die nette Oma irgendwie heimatlos vor. Ganz ohne Triumph lässt sich nun feststellen: Da ist nichts dran. Dieser Fernsehspot, der die alte Währung mit Super-8-Aufnahmen aus den Siebzigern verbindet, hat Recht: Von der Deutschen Mark werden wir bald nostalgisch reden. Aber problemlos benutzen werden wir das neue Geld.

Dies ist noch nicht einmal ein bedingungsloser Kommentar für den Euro; ob da alles sinnvoll geregelt ist, mögen die Experten beurteilen. Aber dies ist ein Kommentar dafür, die Menschen nicht für dumm zu halten. Und das Gerede von der nationalen Identität ganz zu streichen. Davon redet keiner mehr? Ach. Man höre nur mal genau hin, etwa bei der Neueröffnung der Alten Nationalgalerie in Berlin, wie viel da von Nation, nationaler Identität und kultureller Stiftung derselben neulich die Rede war. Was für eine schöne Vorstellung ist es dagegen, dass sich von nun an die Geldstücke mit ihren national verschiedenen Rückseiten in Europa vermischen werden! Statt nationaler Einheit eine Bastardisierung der Zahlungsmittel. Was bleibet aber, stiften die Münzen. DIRK KNIPPHALS

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen