Furcht vor Konsumenten, die Preise vergleichen

Fast jede zweite europäische Großfirma nimmt an, dass sie nach der Einführung des Euro ihre Preise senken muss. Die Konkurrenz nehme zu

BERLIN taz ■ Meinungsforscher schauen in die Seelen der Wirtschaftsbürger. Daher wissen sie: 85 Prozent der Deutschen befürchten, dass durch die Einführung des Euro die Preise steigen. Wenn sich diese Erwartung als richtig erweisen sollte, müsste die Wirtschaft profitieren. Doch was sagen die Unternehmen selbst?

Auch viele Manager sehen die Zukunft mit Skepsis. Fast die Hälfte der europäischen Großunternehmen schätzen, dass ihre Gewinne sinken, wenn der Euro kommt. Das ergab die Studie „European Business Monitor“, bei der im Auftrag des Paketdienstes UPS 1.500 Firmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten in Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlanden und Spanien befragt wurden.

45 Prozent der Unternehmer erwarten, dass sie ihre Preise reduzieren müssen. Die Annahme ist folgende: Die Verbraucher können die Preise in den europäischen Staaten leichter vergleichen, weil sie überall in Euro ausgezeichnet werden. Auch früher hätte man natürlich von einer Währung in die andere umrechnen können, doch ab 1. Januar fällt der Vergleich einfach leichter. Die Transparenz des Marktes und die Konkurrenz zwischen Unternehmen nähmen zu, lautet die These.

Deshalb befürchtet etwa die Autoindustrie, das sie dasselbe Modell in Deutschland nicht mehr teurer verkaufen kann als etwa in Dänemark.

Auch das Münchner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung hat in zwei Studien bereits ähnliche Erwartungen ermittelt. „Dass die Gewinnmargen angeknackst werden, ist nicht unwahrscheinlich“, beurteilt Ifo-Forscher Gernot Nerb die Tendenz ab Januar. Auch die gegenwärtige schlechte Konjunktur treibe die Firmen dazu, ihre Preise eher nach unten als nach oben zu korrigieren.

Die These von der größeren Markttransparenz basiert allerdings auf der Annahme, dass der idealtypische Konsument über nahezu vollkommene Information verfügt. Bevor er hierzulande ein Auto kauft, erkundigt er sich per Internet in Dänemark, wie viel dort das Objekt der Begierde kostet. Außerdem recherchiert er in Paris und Madrid. Dergestalt mit Wissen ausgestattet, fällt es dem bewussten Konsumenten nicht schwer, den heimischen Autoverkäufer um fünf Prozent im Preis zu drücken – zumal man mittlerweile im Laden verhandeln darf. In der Realität freilich existiert dieser umtriebige Verbraucher eher selten – was auch seine Macht auf dem Markt in Frage stellt.

Die jetzt veröffentlichte UBS-Studie zeigt aber auch, dass eben nur knapp die Hälfe der Firmen mit niederen Gewinnen nach der Euroeinführung im Januar rechnen. 54 Prozent der Großunternehmen dagegen nehmen nicht an, dass ihr Gewinn leidet. Sie glauben, trotz des transparenten Marktes die Preise für ihre Produkte erhöhen zu können.

HANNES KOCH