: Nur große Fische sollen ins Netz
Der Kabeljau im Kattegat hat’s gut, auch der Schellfisch im Golf von Gascogne: Beide Arten sollen weniger gefischt werden,hat die Europäische Union beschlossen. Teilweise wurden die Fangquoten aber auch erhöht. Kritik der Umweltschützer
BRÜSSEL taz ■ Nach einem Verhandlungsmarathon von 26 Stunden einigten sich die EU-Landwirtschaftsminister gestern Nachmittag in Brüssel auf mehr als 200 neue Fangquoten für die Fischereizonen der Europäischen Union. Im Gegensatz zu ähnlichen Treffen zuvor sei die Nachtsitzung diesmal kein Ritual gewesen, verriet der für Fischereipolitik zuständige EU-Kommissar Franz Fischler nach der Sitzung. Die Entscheidung, einige Quoten drastisch herabzusetzen, bedrohe schließlich die Existenz vieler Fischer. Am Ende habe aber die Vernunft gesiegt.
„Es ist besser, jetzt eine schwierige Phase hinzunehmen, als die Fischbestände dauerhaft zu schädigen“, sagte der österreichische Politiker. Wie bei allen Themen, die von regionalen Gegebenheiten abhängen, spaltet sich der Rat bei den Fangquoten in mehrere Gruppen: Länder wie Spanien, Griechenland oder Frankreich, wo die Existenz vieler Menschen mit dem Fischfang verbunden ist, Länder wie Deutschland mit wenig Fischereiwirtschaft und Binnenländer wie Österreich, die mit aus-schließlich ökologischem Interesse auf das Thema blicken. Am Ende konnte Franz Fischler seine in einem Grünbuch Anfang des Jahres festgehaltenen Warnungen vor den fatalen Folgen der Überfischung nur teilweise in strengere Fangquoten umsetzen.
So wurde zum Beispiel die erlaubte Fangmenge von Kabeljau im Kattegatt um 55 Prozent gesenkt, die Quote für Schellfisch im Golf von Gascogne um die Hälfte reduziert. Deutsche Fischer dürfen im kommenden Jahr in der Ostsee deutlich weniger Dorsch und Hering fangen. Für die deutsche Flotte in der Nordsee wurden dagegen die Seelachs- und Schellfischquoten hochgesetzt. Auf Quoten für Tiefseefische, die nach einem Richtlinienentwurf der Kommission neu eingeführt werden sollen, konnte sich der Rat noch nicht verständigen. Die amtierende Ratsvorsitzende, die belgische Landwirtschaftsministerin Annemie Neyts-Uyttebroeck, hofft aber, dass bereits im kommenden „spanischen“ Halbjahr derartige Quoten festgelegt werden. Da Spanien, das dann den Vorsitz im Rat führt, wesentlich stärkere Eigeninteressen in der Fischereipolitik als Belgien hat, sind die Chancen für eine Wende geringer geworden.
Der World Wild Fund for Nature hatte die Agrarminister vor dem Treffen aufgefordert, die teilweise drastischen Einschnitte der EU-Kommission zu akzeptieren. „Zweifellos hat das Quotensystem der vergangenen zwanzig Jahre allen einen Bärendienst erwiesen – Fischern, Gemeinden, Fischbeständen und der Umwelt“, sagte die WWF-Fischereiexpertin Julie Cator.
Bis Ende nächsten Jahres will die EU-Kommission einen Gesamtvorschlag vorlegen, wie die gemeinsame Fischereipolitik neu geordnet werden könnte.
DANIELA WEINGÄRTNER
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