Plünderungen in Buenos Aires

Schwere Unruhen und Plünderungen haben Argentiniens Hauptstadt erreicht

SAN SALVADOR taz/dpa ■ Jetzt haben die Unruhen die Kapitale erreicht: Erstmals geplünderten gestern hunderte Argentinier in Vororten von Buenos Aires Geschäfte. Sie zogen durch die Straßen reicher Vororte, schlugen Schaufenster ein, räumten Geschäfte aus und zündeten Reifenstapel an. Die Polizei setzte Tränengas sowie Gummigeschosse ein und nahm nach Medienberichten zahlreiche Menschen fest. Die Regierung reagierte prompt: Sie kündigte die Verteilung kostenloser Lebensmittelpakete an. Angesichts einer Rekordarbeitslosigkeit von mehr als 18 Prozent und fehlender Arbeitslosenunterstützung räumte Präsident Fernando de la Rua „soziale Spannungen“ ein.

Internationale Gläubiger haben Argentinien unterdessenaufgefordert, den fälligen Staatsbankrott endlich hinter sich zu bringen. Wirtschaftsminister Domingo Cavallo „kann höchstens noch sich selbst davon überzeugen, dass er nicht zahlungsunfähig ist“, sagte eine Sprecherin von Morgan Stanley Investment Management am Dienstag in New York. Er verschleudere derzeit viel Geld für den zum Scheitern verurteilten Versuch, sein eigenes Gesicht zu wahren.

Gestern wurden weitere fast 90 Millionen Dollar Zinsen fällig. Im November brach die Industrieproduktion um 11,6 Prozent im Vergleich zum alles anderen als guten Vergleichsmonat des Vorjahres ein. Cavallo aber präsentierte in Buenos Aires einen Haushalt für das Jahr 2002, der um noch einmal 20 Prozent zusammengestrichen wurde. Um das Land vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren, hatte Cavallo in den vergangenen Wochen Löhne und Renten gekürzt, den Gläubigern einen für sie ungünstigen Schuldentausch angeboten, den Bargeldverkehr eingeschränkt und private Rentenkassen beschlagnahmt. Er hatte damit die Kaufkraft halbiert und sogar einen Generalstreik provoziert. Trotzdem will die Regierung offenbar weiterwursteln. Am Dienstag bekamen die Supermärkte in mehreren Städten vorsorglich Polizeischutz.

Das allerdings konnte nicht verhindern, dass die Argentinier die Selbstbedienungsläden jetzt wörtlich nehmen. Der bedächtige Präsident Fernando de la Rua betonte daraufhin, es bestehe „kein Anlass zur Unruhe“.

TONI KEPPELER