dieser verdammte krieg (62)
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WIGLAF DROSTE führt heute das Kriegstagebuch der taz.

Die Würde des Menschen ist konsumierbar

„Ey Allta, geil ey, Viejos kieken!“ So geht es zu in den Videoläden Berlins: Alle sind heiß auf das aktuelle Bin-Laden-Tape. Gefälscht oder nicht, wer cool ist, steht Schlange: Das Zeug ist klar besser als „Der Herr der Ringe“ – wer will den Pappmascheebösbock Saruman sehen, wenn er Bin Laden haben kann? Es nützt aber nichts. Das Band ist als Kaufkassette nicht zu bekommen. Pennt der Markt oder was? Die Kundschaft ist sauer: Das ist gegen die Regeln. Wozu wurde Afghanistan platt gebombt, wenn man jetzt nicht mal ein astreines Viejo kieken kann? Ist das wirklich noch Informationsgesellschaft?

So frustrierend kann Kapitalismus sein. In Afghanistan kämpfen die Truppen des Westens für das Recht auf globale Verfügbarkeit: Alles, was es gibt, kann man kriegen, wenn man es sich leisten kann, egal, wer dafür draufgeht. Wer sich diesem Gesetz Nummer eins verweigert, bekommt es beigebogen. Die Taliban waren das Ideal von einem Feind: Die Würde des Menschen ist nichts, das sie belastet. Für ihre Gegner ist die Würde des Menschen ein Konsumartikel. Der im Fall Bin Laden aber immer noch nicht ausgeliefert worden ist. Skandal!

Wie praktisch, dass sich der westliche Freiheitstraum in Berlin gerade in jemand anderem erfüllt und an ihm sich vollzieht. Dixi-Toiletten in Menschengestalt nennen sich Reporter, sprechen von Informationspflicht und verfolgen den in gedankliche Tiefsee abgetauchten Harald Juhnke bis an die Pflegeheimpforte. Sie werden ihre Bilder schon bekommen. Der Preis für die Würde des Menschen? Bild kostet 90 Pfennig.

MORGEN: Carola Rönneburg