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Alles egal, aber

Die Einzigen, die hier sind, tanzen und noch swingen, sind wir: Früher waren die aus Münster stammenden Samba ungeliebte Söhne des neuen deutschen Liedgutes. Heute sind sie vor allem eins: eine ziemlich gute Gitarrenpopband

Selten wurde Liebe ergreifender, schlichter und mit weniger Worten beschrieben

Die armen Schweine. Da kommt man schon aus Münster, hält sich tapfer ausgerechnet an der unmodernen Gitarre fest und dann wird man auch noch wie Aussatz behandelt. Keiner konnte Samba leiden, absolut keiner. Samba ging es echt schlecht. Was hat man ihnen, damals in den späten Neunzigerjahren, nicht alles vorgeworfen: Abkupfern würden sie, Tocotronic nachäffen, Hamburger Schule diskreditieren, sich an die Industrie verkaufen, peinlich gefühlig sein. Und politisch waren sie auch nicht. Samba, da waren sich endlich mal alle vollkommen einig, sind totale Scheiße.

Tatsächlich aber blieb unsere tapfere kleine Band all die Jahre, so blöd das klingt, immerhin eines: sich selbst treu. Tocotronic zweifeln immer noch ausgiebig, wie man mit dem Starruhm umgehen sollte, Blumfeld versuchen den Kitsch neu zu erfinden und der Rest der Hamburger Schule hat sich in die Versenkung begeben. Nur Samba, die ganz und gar ungeliebten Söhne des neuen deutschen Liedgutes, haben mit „Komando“ ihr nun auch schon viertes Album heraus gebracht. Dort klingt es jetzt nicht nur trotzig, wenn Knut Stenert singt: „Die Einzigen, die hier sind, sind wir / Die Einzigen, die tanzen, sind wir / Die Einzigen, die swingen, sind wir.“

Nach zwei mehr oder weniger gefloppten Alben bei einer großen Plattenfirma, die vor testosteronhaltigen, krachledernen Gitarrenpopknallern nur so strotzten, haben sie nun bereits ihr zweites, vergleichsweise ruhiges Album bei einem kleinen Indie-Label herausgebracht. So sind sie also den klassischen Weg gegangen, nur eben rückwärts. Das ist ihnen womöglich nicht gut bekommen. Sie hatten ihre Chance und haben sie nicht genutzt. Vielleicht stand ihnen zu früh die Welt offen, nun aber werden sie langsam erwachsen. Keine Songs mehr über Fußball, Autofahren und Schokoriegel, sondern die Befindlichkeiten eines Dreißigjährigen.

Was bleibt, ist Musik, die niemals auch nur annähernd so schlecht war, wie sie gemacht wurde. Unbelastet von allen Feindbildvorgaben kann man Samba nun hören und feststellen, dass sie zwar sehr viel entspannter und folkiger geworden sind, aber immer noch keine Angst haben vor großen Melodien, keine Angst vor großen Worten. So rauschen auf der neuen Platte halt „Rebellion“ und „Pullover“ ganz friedlich durch denselben Refrain. So kann man jeden Song fast auf Anhieb mitsingen, ohne aber, und das ist dann doch überraschend, gleich von Déjà-vu zu Déjà-vu zu stürzen. So kann man sich fragen, ob die Texte belanglos, sinnentleert oder ganz knorke Dada auf Tagebuch-Niveau sind. Tatsache aber ist, dass Liebe selten ergreifender, schlichter und mit weniger Worten auf den Punkt gebracht wurde wie in dieser Zeile von Stenert: „Das tut gut, Dunkelheit geht, wenn du kommst.“

Vielleicht ist nun doch noch ihre Zeit gekommen. Samba benannten sich dereinst nach einen klassischen Sportschuh von Adidas. Heutzutage läuft jede Achtjährige auf den retrospektiven Sohlen ihrer Superstars von derselben Firma. Kurz gesagt: Ist eh alles egal. Und vielleicht gibt es endlich Muße, um Samba neu kennen zu lernen als das, was sie sind und auch schon ziemlich lange waren: eine eigentlich ganz gute Gitarrenpopband

THOMAS WINKLER

Heute, 22. 12., ab 22 Uhr, Privat-Club unter der Markthalle, Pücklerstraße 34, Kreuzberg

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