Schuldenmoratorium und virtuelles Geld

Zur Rettung der Wirtschaft setzt Argentiniens neuer Präsident den Schuldendienst aus und erfindet eine dritte Währung

BUENOS AIRES taz ■ Die übliche Feiertagspause dauerte dieses Mal etwas länger als üblich. Auch am gestrigen Mittwoch blieben die Banken in Argentinien geschlossen. Zu unsicher ist, wie es nach dem Präsidentenwechsel in der Wirtschaft des Landes weitergehen soll. Denn Übergangspräsident Rodiríguez Saáder hat angekündigt, den Schuldendienst auf die Auslandsschulden in Höhe von rund 132 Milliarden US-Dollar einzustellen. Um die Peso-Dollar-Bindung zu erhalten, aber zugleich den privaten Konsum anzukurbeln, will er eine dritte Währung einführen. Der „Argentino“ soll an Rentner und Staatsangestellte ausgegeben werden und nicht tauschbar sein.

„Die Gelder, die zur Bedienung der Schuld bereitgestellt sind, werden dazu benutzt, Arbeitsplätze zu schaffen“, erklärte Saá bei seinem Antritt und versprach 100.000 neue Jobs.

Die Aussetzung der Schuldentilgung, die der peronistische Übergangspräsident als aufrührerischen Akt verkauft, war nichts anderes als die Anerkennung der Realität. Schon lange kann Argentinien auf den Finanzmärkten kein Geld mehr aufnehmen. Selbst einige Gläubiger hatten der argentinischen Regierung geraten, sich für zahlungsunfähig zu erklären. Der zurückgetretene Präsident Fernando de la Rúa hatte sich dem jedoch verweigert. Noch nie, nicht einmal während der Schuldenkrise der 80er-Jahre, hatte das Land seine Zahlungen eingestellt. Saá wird in den nächsten Tagen eine Delegation zum Internationalen Währungsfonds (IWF) nach Washington schicken, um darüber zu verhandeln, wie es nun weitergehen soll.

Beim IWF hatten sich zuletzt Zweifel gemehrt, ob die 1:1-Parität zwischen Peso und US-Dollar aufrecht erhalten werden kann. Eine Abwertung des Peso gegenüber dem Dollar würde unweigerlich zu einer Pleitenwelle führen, weil die meisten Argentinier ihr Einkommen in Peso haben, die Schulden aber oft in Dollar notiert sind. Trotzdem war die Maßnahme geplant, als transnationale Konzerne in letzter Minute dagegen intervenierten.

Aber auch wenn Saá nun die Beibehaltung der Dollarbindung angekündigt hat, steckt Argentinien weiter in der Sackgasse. Die Regierung kann die Geldmenge nur erhöhen, wenn Dollars ins Land kommen. Derzeit gibt es weder ausländische Investitionen noch Kredite. So ist der Konsum lahm gelegt, die Geldmenge sinkt täglich.

Die geplante Einführung einer dritten Währung – Saás Berater reden lieber von einer „neuen Währung“ – ist ein Versuch, das Land unabhängig davon wieder liquide zu machen. Mit dem Argentino sollen Staatsangestellte und Rentner ab Januar bezahlt werden. In manchen Provinzen bekommen diese heute schon Schuldverschreibungen, die als eine Art lokaler Ersatzwährung dienen. Mit dem neuen Geld sollen Steuern, Abgaben und Kosten wie Gas, Wasser und Strom beglichen werden können. Geplant ist, zunächst Scheine im Gegenwert von 10 Milliarden Dollar zu drucken. Dabei ist vieles unklar: Etwa die Frage, ob der Argentino von der Zentralbank oder als Schuldpapier ausgegeben wird und in welchem Verhältnis er zum Peso stehen wird. So bleibt der Eindruck, Argentinien werfe eben wieder die Notenpresse an, um an Geld zu kommen. INGO MALCHER