Time to say Tschüss

Hier traf man sich, um unter sich und seinesgleichen zu sein und nicht mehr ganz kleine und auf dem Sprung stehende Bands zu sehen: Am Neujahrstag lädt das Maria am Ostbahnhof zum letzten Mal in die Straße der Pariser Kommune

Man kennt und liebt das in unserer kleinen Stadt: Ein Club muss schließen, feiert eine Abschiedsparty, dann noch eine, und irgendwann wird aus der Clubschließung ein langer und für die Clubbetreiber durchaus einträglicher Abschied. Man denke nur an den schönen „letzten Abend“ im Kreuzberger Mysliswka vor anderthalb Jahren! Auch im Fall des Maria am Ostbahnhof hat es gedauert, wenn auch vergleichsweise kurz. Im Oktober hieß es, das Maria müsse dichtmachen, die Immobiliengesellschaft der Post, der Eigentümer der Maria-Räumlichkeiten, hätte den Mietvertrag mit den Betreibern gekündigt und endlich finanzkräftige Investoren für das gesamte, 14.000 qm große Gelände gegenüber vom Ostbahnhof gefunden.

Zwei Monate Programm gab’s dann allerdings noch, wie gewohnt ging der Betrieb weiter. Am Neujahrstag aber ist nun endgültig Schluss, da geht die wirklich letzte Party mit Barbara Morgenstern, T. Raumschmiere und Gudrun Gut vom frühen Nachmittag an über die Bühne. Danach kommen die Abrissbagger, und irgendwann zieren Wohn- und Bürohäuser die Ecke Mühlenstraße/Straße der Pariser Kommune. Schaut man sich die Geschichte des Maria an, mutet diese jedoch sowieso wie ein einziger langer Abschied an. Schon als der Club im September 1998 öffnete, war davon die Rede, seine Existenz wäre nicht von Dauer, spätestens nach einem halben Jahr wäre wieder Schluss.

Was typisch war für die Clubkultur der Neunziger, die sich durch das Provisorische erst konstituierte und dabei bevorzugt in den Raumleichen der DDR ihre zwischenzeitliche Heimstatt fand. Mal abgesehen davon, dass die Maria-Location eine sehr exquisite war, sagen wir der Flair von Ostberlin zwischen 1957 und 1962, und allein der Blick aus der Lounge im ersten Stock einen Besuch wert, kam das Maria jedoch auch zur rechten Zeit und erfüllte eine wichtigte Funktion: Es bündelte diverse kleinere Szenen und war erster größerer Auftrittsort für eine Menge Bands und DJs, für die die Kellerclubs und Hinterhofbars zu klein geworden waren.

Es dauerte nicht lange, da war das Maria am Ostbahnhof über die Grenzen von Mitte, Kreuzberg und Friedrichshain bekannt und der Inbegriff eines In-Ladens, der dann wiederum schnell für Bands wie Chicks On Speed oder die Record-Release-Party des „Stolz- und Vorurteil“-Samplers zu klein schien: Das Maria wuchs mit der Szene, die es hervorbrachte und einem größeren Publikum vorstellte. Folgerichtig veränderte der Club im Herbst des Jahres 2000 auch äußerlich seinen Charakter. Der Konzertraum wurde um- und ausgebaut, andere Konzertveranstalter wie Trinity und Knaack begannen das Maria zu buchen. Man traf sich hier nicht mehr nur, um unter sich und seinesgleichen zu sein und zu inspizieren, was alle so auf die Beine stellten, sondern vor allem, um eine bestimmte, nicht mehr ganz kleine und auf dem Sprung stehende Band aus Deutschland, England oder den USA zu sehen – Die Sterne, Modest Mouse, Le Tigre, Stephen Malkmus, Zoot Woman, Zero 7, um nur ein paar Namen zu nennen. Das Maria war ein richtiges solides Konzertvenue geworden, mit sehr regelmäßigem Programm und professionell geführt. Fast hätte man dabei vergessen, dass der Laden weiterhin nur ein Provisorium war und der Mietvertrag jederzeit von einem Monat auf den anderen kündbar.

Nun kann man die Maria-Schließung einreihen in den gern beschworenen Niedergang der Berliner Clubkultur – der Druck der neuen Mitte, das coole, attraktive Berlin, das seine eigenen Kinder frisst (genau, das Ostgut und das Casino nebenan müssen wahrscheinlich ebenfalls bald Bürohäusern weichen) und so weiter. As times go by halt. Andererseits geht es immer weiter, wie schon Dragoslav Stepanovic wusste, auch für wilde Clubs und ihre Betreiber, die ja auch gern in Würde älter werden wollen. Die Crew des Maria jedenfalls sucht noch – von der Köpenicker Straße war mal die Rede – und geht davon aus, im Frühjahr eine neue Location präsentieren zu können. GERRIT BARTELS

Noch auf am 29. 12. (Meteo meets Vienna), am 31. 12. (Marusha, Tanith und andere), jeweils 22 Uhr, und am 1. 1. von 16 Uhr–0 Uhr), Straße der Pariser Kommune 8–11, Friedrichshain