Wer ist schon der kleine Prinz?

Für die US-Amerikaner bedeutet die Einführung des Euro nur den Abschied von alten europäischen Schrullen. Eine Gefahr für den Dollar sei er sicher nicht

aus New York NICOLA LIEBERT

Beim Geldwechseln in einer New Yorker Citibank-Filiale studiert die Frau am Schalter eingehend den Fünfzigmarkschein und fragt dann noch mal zur Sicherheit nach: „Deutschmark?“ Dieser für sie vielleicht letzte D-Mark-Geldschein ist der erste, dem sie je begegnet ist. Ob Franc, Mark oder Euro, solche Währungen sind ihr alle gleich fremd. Ob man wohl bei der Citibank schon ab Anfang Januar Euro erhalten kann? Das weiß niemand.

Wenn überhaupt in den USA jemals die Rede auf den Euro kommt, dann als ein Problem, das allein Europa angeht. So wird mit Nostalgie festgestellt, dass solch reizende – und bis dahin von kaum jemandem bemerkte – Schrullen der Alten Welt wie etwa der kleine Prinz auf den Fünfzigfrancscheinen ein für alle Mal verschwinden. In einem 30-Sekunden-Beitrag im Fernsehen beteuern französische Schüler, dass sie das Geld, mit dem sie aufgewachsen sind, vermissen werden. Und die Betreiber von „Harrod’s“ und anderen Londoner Kaufhäusern geben in der New York Times zu Protokoll, dass aus Kontinentaleuropa angereiste Besucher auch bei ihnen künftig mit Euros bezahlen können. Aber als Wirtschaftsphänomen, als etwas, was auch die USA angehen könnte, gibt es den Euro schlicht nicht.

„Wir haben keine Anfrage zum Thema Euro erhalten“, sagt George Deeley von der internationalen Abteilung der US- Handelskammer in Washington. „Von amerikanischer Seite – kein Interesse“, meint auch Carolina Schweizer, die Sprecherin der deutsch-amerikanischen Handelskammer in New York. „Der Euro? Bei uns kein Thema“, sagt eine Angestellte in einem American-Express-Reisebüro. „Warum sollte jemand damit Probleme haben? Es wird doch für die Reisenden alles nur einfacher werden.“ Ein Merkblatt über das neue Geld gibt es bei American Express jedenfalls nicht.

Michael Rosenberg von der US-Niederlassung der Deutschen Bank in New York kann ebenfalls nur eine Veränderung erkennen: Für Touristen werde es viel einfacher, Europa zu bereisen, aber für Unternehmen werde sich nicht viel ändern. „Der Euro ist de facto ja schon seit drei Jahren da.“ Dass jetzt zum Buchgeld auch das Bargeld kommt, „mag ein enorm wichtiger Faktor für Europa sein – für Amerika ist es das nicht.“ Wer mit Europa Handel treibt oder dort investiert hat, der hat sich schon seit 1999 auf den Euro einstellen können, als die Geschäftspartner ihre Buchführung umzustellen begannen. Damals wurden auch immerhin von Wirtschaftsorganisationen und der Regierung einige Informationsschriften über „Doing Business in Euroland“ herausgegeben. Informationen neueren Datums existieren nicht. Das Wirtschaftsministerium der USA stellte seinen Internetservice für Exporteure mit dem Namen „Guide to the Euro“ inzwischen ein.

Natürlich sei der Euro eine wichtige Währung auf den Devisenmärkten, aber dem Dollar könne er dann doch nicht das Wasser reichen, betont der Amerikaner Rosenberg. Dass bei der Schöpfung des Euro vor drei Jahren davon die Rede war, dass der Newcomer einmal dem Greenback den Rang ablaufen könnte, sorgt hier allenfalls für ein mitleidiges Lächeln. Selbst die Terroranschläge auf New York und Washington sowie die Rezession, in die die US-Wirtschaft inzwischen schlitterte, konnten der Stärke des Dollar nicht viel anhaben. Vor vier Wochen hielt Notenbankpräsident Alan Greenspan eine sehr allgemein gehaltene Rede zum Thema Euro. Was er dazu zu sagen hatte, war wenig schmeichelhaft. Die Europäer hätten nicht begriffen, dass sie einfach dem Vorbild der USA folgen müssten, wo mehr Flexibilisierung für höhere Produktivität sorge. Und dank Steuersenkungen und aggressiven Zinssenkungen würden Investoren eben eher an eine Erholung der US-Wirtschaft glauben als an ein nennenswertes Wachstum in Europa. Und solange das so sei, bleibe der Dollar eben stark, der Euro schwach.