Japaner wollen Europas Vielfalt bewahren . . .

. . . und sind doch froh über die neue Einheitswährung. So spart man Zeit auf dem Kurztrip zwischen Paris, Madrid und Lissabon

TOKIO taz ■ Japanische Touristen, die immer noch der Meinung sind, dass ein Abstecher von Berlin nach Madrid ein Katzensprung sei, freuen sich auf die Einführung der Einheitswährung im EU-Raum. „Endlich gibt es den Euro zum Anfassen und die dauernde Wechslerei ist zu Ende“, sagt Akiko Yamamura (62), die für Februar ihre dritte Europareise gebucht hat.

Innerhalb von sechs Tagen wird Frau Yamamura mit einer Reisegruppe einen Marathon von Paris über Marseille, Barcelona, Madrid und Lissabon absolvieren. Sie freut sich zwar auf die Besichtigungen von Museen und Kathedralen, aber noch mehr auf die Modegeschäfte, die auf dem Wege liegen. „Ich mag Kreditkarten nicht leiden und bezahle eine schöne Tasche lieber mit Bargeld“, erklärt Frau Yamamura. Dann verrät sie kichernd, dass sie die Einkaufsliste im Wert von über 2.500 Euro (4.890 Mark) schon seit zwei Monaten fertig hat.

Frau Yamamura ist durchaus keine Ausnahme. Japaner lieben es bis heute, ihre Einkäufe in bar zu bezahlen, und die Einführung des Euro dürfte mithelfen, dass die trotz Wirtschaftskrise reisefreudige Inselbevölkerung in Zukunft noch mehr für Modeartikel und Familiengeschenke auf ihren Reisen durch den Euroraum ausgeben wird. „Wenn nur England und die Schweiz auch mitmachen würden, dann wäre es für uns noch einfacher“, fügt Yamamura hinzu, die Mittel- und Nordeuropa auf ihren früheren Reisen schon gesehen hat.

Etwas weniger euphorisch tönt es, wenn Vertreter von japanischen Versicherungsgesellschaften und Finanzhäusern über den Euro reden. Sie glaubten nämlich vor drei Jahren, nach der Einführung der Einheitswährung im Januar 1999, dass sich der Euro rasch in eine starke Alternativwährung zum US-Dollar entwickeln würde, und verbrannten sich mit dieser Voraussage kräftig die Finger. Nippon Life, Japans Branchenführer im Lebensversicherungsgeschäft und einer der größten institutionellen Anleger der Welt, kaufte damals Eurobonds in Milliardenhöhe und musste ein Jahr später, nachdem der Euro gegenüber dem Yen um 24 Prozent abgewertet hatte, einen Verlust von 230 Milliarden Yen (zwei Milliarden Euro / 3,9 Milliarden Mark) verkraften. Nippons Versicherer und die Banken verspekulierten sich ebenfalls in Milliardenhöhe und gehören deshalb zu den vorsichtigen Investoren bei Anlagen in Euro.

Die Stimmung könnte sich allerdings schon bald drehen, denn der Yen begann in den letzen Wochen eine Talfahrt gegenüber dem US-Dollar und dem Euro. Wo die Tiefpunkt liegen wird, ist noch unklar, doch sind sich Devisenstrategen einig, dass der Yen wegen der tiefen Rezession in Japan wahrscheinlich über längere Zeit schwach bleibt. Damit dürfte das Interesse der japanischen Finanzhäuser an Eurobonds, die weiterhin höhere Zinsen einbringen als die einheimischen JGB (Japan Government Bonds), erneut aufkommen.

Für die japanischen Exporteure ist die Umstellung auf Euronoten keine große Neuheit mehr. Sie haben schon ab Januar 1999 den Euro als Einheitswährung in ihren Bilanzen eingeführt. Die Euroschwäche war für die Autobauer bislang eine schwere Last, und selbst die hoch profitablen Branchenführer Toyota und Honda schreiben in Europa noch immer Verluste. Dafür haben die japanischen Unternehmer allerdings interessante Lehren aus den drei Jahren Erfahrung mit dem Euro gezogen, die selbst für uns Europäer höchst aufschlussreich sind.

Tetsuya Matsuoka, Europachef des Handelshauses Mitsui, stellte kürzlich in einem Symposium dar, was es für einen Überseekonzern bedeutet im Euroraum zu operieren. Dabei unterschied er die Angebots- und die Nachfrageseite und kam zum Schluss, dass auf der Angebotsseite ein großer Wirtschaftsraum vereinheitlicht wurde, der eine Wanderschaft der Operationen je nach Standortvorteil der Region erleichtert.

Ganz anders sieht die Situation allerdings auf der Nachfrageseite aus, wo nationale und kulturelle Besonderheiten das Konsumverhalten der Bürger bestimmen. Die größte Herausforderung für einen japanischen Konzern sei es deshalb, die beiden gegensätzlichen Strömungen strategisch unter einen Hut zu bringen. Matsuoka stellte klar, dass es trotz Einheitswährung falsch wäre, einen Einheitspreis für dasselbe Produkt im gesamten Euroraum einzuführen. Es sei weiterhin wichtig, die Eigenschaften nationaler Verteilungskanäle und die Preisrelation, gemessen an der Kaufkraft der Konsumenten, genau zu studieren. ANDRÉ KUNZ