Der Euro, Kant und die Maus

Was Sie schon immer über Geld wissen wollten: Eine Auswahl von sechs Büchern, die nicht nur über die neue Währung Auskunft geben

von DETLEF GÜRTLER

Trotz der nunmehr zehn Jahre, die „Kapitalismus contra Kapitalismus“ nun auf dem Buckel hat, ist dieses Buch immer noch die mit Abstand beste Argumentationshilfe für die Entwicklung eines europäischen Selbstbewusstseins. Der Autor Michel Albert, damals einer der wichtigsten französischen Versicherungsmanager, weist nach, warum der „rheinische“, also der europäische Kapitalismus, dem amerikanischen Typus sowohl ökonomisch als auch sozial überlegen ist. Er stellt dabei aber bedauernd fest, dass sich die US-Wirtschaftsform trotzdem auf der Siegerstraße befindet („als ob auf dem Automobilmarkt die ganze Gunst einer Marke zufällt, deren beeindruckende Karosserie einen asthmatischen Motor verbirgt“). Durchaus korrekt prognostizierte er Europa als „Hauptschlachtfeld der beiden Modelle“, von denen das bessere, das eigene, nur gewinnen könne, wenn es selbstbewusst und offensiv von den Vereinigten Staaten von Europa eingesetzt wird, „um es besser zu machen als die Vereinigten Staaten von Amerika“. Das Buch ist nicht mehr lieferbar, der Verlag hat es nach sehr mäßigem Absatz vom Markt genommen – durchaus passend zur real existierenden Stimmung in Euroland.

Michel Albert: „Kapitalismus contra Kapitalismus“. Campus, 1992, 236 Seiten, ISBN-Nr.: 3593347032

Horst Siebert ist nicht nur Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft und einer der fünf amtierenden Wirtschaftsweisen, er ist auch ein ideologisch recht vorhersehbarer Ökonom. Siebert zieht über die „Irrwege der Wirtschaftspolitik“ her, als hätte Rot-Grün den Laden gerade in argentinischer Manier gegen den Baum gefahren. Dass die deutsche Wirtschaftsordnung sicherlich dazu beigetragen hat, das Land zum Exportweltmeister zu machen, taucht bei ihm genau so wenig auf wie zwei von außen wohl besser zu erkennende Standortvorteile: sozialer Friede und vernünftige Gewerkschaften. Der Nutzen, den die europäische Währung stiften kann, interessiert ihn weit weniger als der Schaden, der entstehen könnte, wenn die Politiker die Zinsen selbst bestimmen könnten – was ihnen genau deshalb ja von Anfang an untersagt war. Bei all den bedrückend beschränkten Plädoyers für mehr Billiglohn und weniger Sozialstaat ärgert Siebert nur eines: „Es ist ernüchternd zu sehen, wie wenig davon bei der Politik ankommt.“ Dass dies auch an ihm liegen könnte, diese Idee scheint dem Wirtschaftsweisen noch nie gekommen zu sein.

Um Sieberts Nüchternheit nicht zu gefährden, empfehlen wir deshalb lieber die bereits zehn Jahre alten „Nationalen Wettbewerbsvorteile“ von Michael Porter. Während Siebert immer nur die Haare in den Suppen sucht, versuchte Porter herauszufinden, warum diese Suppen so schmecken, wie sie schmecken: Warum machen die Deutschen mehr Autos und die Italiener mehr Mode? Warum gehört Hollywood zu Amerika und Bayer zu Deutschland? Und warum ist ausgerechnet die Schweiz führend im Schiffsmotorenbau? Die Erkenntnisqualität, die Porter in dieser Arbeit erreicht, werden weder Siebert noch sein Institut jemals auch nur streifen können.

Horst Siebert: „Der Kobra-Effekt. Wie man Irrwege der Wirtschaftspolitik vermeidet“. DVA, 2001, 294 Seiten, 25 Euro, ISBN-Nr. 3421055629

Michael E. Porter: „Nationale Wettbewerbsvorteile. Erfolgreich konkurrieren auf dem Weltmarkt“. Droemer Knaur, 1991, ISBN-Nr. 3426264331

Shareholder-Value ist das gerade aktuelle Schmusewort für Raubritterkapitalismus: Durch einseitige Orientierung an den Gewinninteressen der Aktionäre steigert man kurzfristig den Aktienkurs, bekommt dadurch das Geld, das man braucht, um Unternehmen zu fressen, die weniger aktionärsfreundlich agieren, steigert dadurch den Aktienkurs, und immer so weiter und immer so fort. Bis man vor lauter Fressen das Geschäftemachen vergessen hat und von einem Corporate Raider gefressen und zerhackt wird – im Interesse der Aktionäre selbstverständlich. Während deutsche Vorstände noch schnell „Shareholderisch für Anfänger“ pauken, behauptet der Unternehmensberater Allan Kennedy bereits, dass der „Vorrat an realistischen zukünftigen wirtschaftlichen Optionen für viele Unternehmen und ihre Investoren aufgezehrt“ sei. Mit der einseitigen Verfolgung von Aktionärsinteressen vernachlässigten Unternehmen lange Zeit alle anderen Interessen – was am Ende sogar den Unternehmenserfolg gefährdet: Schließlich wollen die besten Kunden, die besten Mitarbeiter, die besten Lieferanten mindestens so wichtig genommen werden wie irgendein dahergelaufener Aktionär.

Allan A. Kennedy: „Das Ende des Shareholder-Value. Warum Unternehmen zu langfristigen Wachstumsstrategien zurückkehren.“ Financial Times Prentice Hall, 2001, 264 Seiten, 67 Mark, 34,25 Euro, ISBN-Nr.: 3827270340

Natürlich denken wir auch sonst ans Geld. Aber anders. Sonst sehen wir in ihm immer nur, was wir uns dafür kaufen können (oder was uns dafür noch fehlt). Aber jetzt, wo das Geld ganz neu aussieht und ganz neu heißt, sinnieren wir auch über das Geld an sich. Da mag es helfen, sich in die Reihe der Dichter, Denker und Schreiber zu stellen, die eben darüber bereits nicht nur sinniert, sondern auch publiziert haben. Und wer hätte das nicht: Von Kant bis Sophokles, Heine bis Handke, Büchner bis Balzac reichen die Namen der 70 Autoren, die das Bändchen „Europa, die Dichter und das Geld“ um das Thema versammelt. Sicherlich, keiner dieser hochwohlgelesenen Herren hatte in seinem Leben jemals Euro im Geldbeutel. Aber ging uns das nicht bis vor wenigen Tagen genauso?

Hans-Joachim Simm (Hrsg.): „Europa, die Dichter und das Geld. Insel Almanach auf das Jahr 2002“. Insel-Verlag, 2001, 190 Seiten, 20 Mark, 10,23 Euro, ISBN-Nr.: 3458170928

Die „Sendung mit der Maus“ ist das bestgemachte Wissensmagazin im gesamten deutschen Fernsehen. Ob das Internet oder die Löcher im Käse – das Team um die Maus erklärt alles. Und weil es keine dummen Fragen, sondern nur dumme Antworten gibt, haben die Leute, die die Maus machen, so ziemlich alles, was man zum Geld fragen kann, in einem Buch beantwortet. Am Ende entstand eines der wenigen Bücher, in denen es nicht nur keine dummen Fragen, sondern auch keine dummen Antworten gibt.

Ina Steinmetz und Bernd Flessner: „Maus Wissen: Warum heißt der Euro Euro? Über 400 Fragen & Antworten zum Thema Geld“. Ravensburger, 2001, 40 Seiten, 16,80 Mark, 8,59 Euro, ISBN-Nr. 3473321133