Von der Rückkehr der Münzen

aus Rom MICHAEL BRAUN

Nein, tränenreich gestaltet sich Italiens Abschied von der Lira ganz gewiss nicht. Mehr als bescheiden war in den letzten Wochen das Angebot an Nostalgie-Artikeln in der Presse. Über den Status eines prosaischen Zahlungsmittels kam die Lira nämlich in den letzten Jahrzehnten nicht hinaus. Den Rang eines eines nationalen Kultobjekts mochte deshalb auch in den Abschiedsstunden kaum ein Italiener seiner Währung zubilligen.

Südlich der Alpen hatte seit 1996 gegolten: Beim Euro dabei sein ist Ausweis wahrer nationaler Größe, und wäre Italien dank Nichtzulassung zur Währungsunion auf seiner Lira sitzen geblieben – es wäre die wohl größte Niederlage des Landes seit dem Zweiten Weltkrieg gewesen.

Überzeugungsarbeit musste die Regierung denn auch kaum leisten; von der Güte des neuen Gelds sind drei Viertel der Bürger fest überzeugt. Allein praktische Probleme gilt es in diesen Tagen zu bewältigen. „Wie stelle ich bloß einen Scheck in Euro aus?“ – das ist eine der gängigsten Fragen. Zu einfach macht es sich, wer darauf die nahe liegende Antwort gäbe: „In Euro eben!“ Denn der ist gar nicht das Problem. Die wahre Sorge der Italiener heißt „Cent“. Im Land der großen Summen – ein Euro macht 1.936 Lire – hantieren alle mit Millionen; Bruchrechnung hinterm Währungskomma ist nur noch Achtzigjährigen eine ferne Erinnerung. Die kannten noch die „Centesimi“, bevor die Inflationen der Kriegs- und Nachkriegszeit die Lira zu einer Währung ohne Untereinheit machten.

Also bieten die TV-Nachrichten Nachhilfeunterricht: „Auch bei glatten Summen gehören zwei Nullen für die Cent auf den Scheck. Aber das Komma vorher bloß nicht vergessen!“ Und ein Fernsehspot klärt auf, dass „die Münzen jetzt nicht mehr Kleingeld sind“. Richtig was wert seien die neuen Silberlinge, anders als die lose in der Hosentasche rumgetragenen Lira-Münzen – ab 1.000 Lire, einer Mark, wurde in Italien schließlich schon mit Scheinen bezahlt. Umfrage für Umfrage bekunden denn auch die Italiener, ihre größte Furcht sei es, bei der Wechselei der Cents übers Ohr gehauen zu werden.

Daher rüsten sie jetzt auf: „Convertitori“ – kleine Euro-Taschenrechner – sind seit Wochen der Renner in den Schreibwarenläden, obwohl die Regierung fest versprochen hat, jeden Haushalt gratis mit dem elektronischen Selbstverteidigungsgerät auszustatten.

Diesem Versprechen jedoch trauen die Italiener ebenso wenig wie all den anderen Verheißungen von einer reibungslosen Euro-Umstellung. Die Auslieferung der frischen Noten und Scheine an die Banken: verspätet. Die Zustellung der Starter Kits: lückenhaft. Trotzdem lassen es die entscheidenden Institutionen mit Ruhe angehen. Überall sonst in Euro-Land sind viele Banken am 31. Dezember und 1. Januar offen. In Italien dagegen machen die Banker zum Jahreswechsel Pause – „um die Euro-Umstellung vorzubereiten“, wie sie in großformatigen Anzeigen versichern.

Nicht umsonst befürchten die Bürger deshalb an allen Ecken Ärger. Bei Roms Fahrkartenautomaten etwa wurde der alte Preis von 1.500 Lire korrekt auf 0,77 Euro umgestellt, sie geben aber als Wechselgeld keine Cent-Münzen heraus und so wird das Kleingeld aus dem Starter Kit schon nach drei, vier Bustickets aufgebraucht sein. Noch härter trifft es die Wettfanatiker. Sie können am 1. Januar nicht auf Traber und Galopper setzen; die Regierung nämlich hat es versäumt, den Mindesteinsatz – der alte lag bei 1.000 Lire – neu zu fixieren.