„Lekker Pad“ durch Namibia – sogar mit Kindern

■ Durch zwölf Jahre Reisen und Recherchieren wurden die beiden BremerInnen Wendula Dahle und Wolfgang Leyerer zu Namibia-ExpertInnen. Ihr bei Temmen erschienener Reiseführer ist der beste in deutscher Sprache

„Lekker Pad“ sagt man im namibischen Afrikaans, wenn man jemandem eine gute Reise wünscht. Dieser Ausdruck ist nicht einmal in den Wörterbüchern derjenigen Sprache abgedruckt, die zumeist als die der Buren Südafrikas bekannt ist und früher einmal Kapholländisch hieß. Afrikaans ist im ländlichen und schwarzen Namibia immer noch die eigentliche Verkehrssprache – obwohl die regierende Befreiungsfront SWAPO mit der Unabhängigkeit das vermeintlich neutrale Englisch zur alleinigen Amtssprache erklärt hat. Dass die Namibianer nicht „Goeie Reis“ sagen, ist nur ein Indiz dafür, dass das namibische Afrikaans durchaus seine eigene Geschichte hat.

Neben den weißen Buren haben auch schwarze südafrikanische Muttersprachler wie die Witboois (siehe Kasten) das Afrikaans in das ehemalige Südwestafrika gebracht. Doch das ist nur eines der vielen Themen des Reiseführers „Namibia“. Die Edition Erde innerhalb des Bremer Verlages Edition Temmen hat diesen inhaltsschweren Führer herausgegeben. Mit „Namibia“ haben die beiden Bremer Wendula Dahle und Wolfgang Leyerer nach nunmehr zwölf Jahren eine völlig überarbeitete und aktualisierte Auflage ihres 1989 erstmalig erschienenen Namibia-Führers vorgelegt. Beide arbeiten an der Bremer Universität und haben schon viele Lehrveranstaltungen zu Namibia durchgeführt. Seit 1979 bereisen sie das Land zwischen Angola und Südafrika, seit über zehn Jahren wohnen und arbeiten sie auch teilweise dort. So ist in den Reiseführer die Gesamtheit des akademischen und lebenspraktischen Wissens über das seit 1989 unabhängige Namibia eingeflossen.

„Namibia“ ist mit seinen fast 700 Seiten daher gleichzeitig ein Lehr- und Handbuch. Kein Wunder, dass es nichts gibt, was nicht in dem Buch zu erfahren wäre. Von der Botanik der seltsamen Pflanze Welwitschia mirabilis über das Kulturzentrum „Alte Brauerei“ in Windhoek, das ein Flair hat wie der Bremer Schlachthof, bis hin zu den Hintergründen der Caprivischen Befreiungsarmee im äußersten Nordosten des Landes oder den „ostdeutschen“ Clubs von Rücckehrern, die als Kinder von exilierten SWAPO-Kämpfern in der DDR aufgewachsen sind.

Seine Stärke hat das Buch neben der Praxis- und Serviceorientierung im kritisch-sozialgeschichtlichen Ansatz, dem die Autoren verpflichtet sind. Während konventionelle Reiseführer das Township Katutura bestenfalls erwähnen und meist von einem Besuch abraten, erklären die beiden ausführlich dessen Entstehen und die Bedeutung für die rassistische südafrikanische Mandatsmacht – und führen den Reisenden vorbei an kilometer- langen Wellblechhütten zu einem neuen Café und Zentrum für Kunsthandwerk, das Frauen Arbeit bietet. Mit dieser Kombination ist der Reiseführer der zurzeit ausführlichste Namibia-Guide – zumindest im deutschsprachigen Raum. Eine weitere Besonderheit ist, dass er Tipps für das Reisen mit kleinen Kindern gibt. Die sechsjährige Lintjie sagt dem Leser, wo es ihr in Namibia besonders gut gefallen hat. Lintjie muss es wissen – die junge Namibianerin aus dem Khomas-Hochland kennt anders als ihre meist armen Landsleute schon jetzt diverse Landesteile. Denn die meisten schwarzen namibischen Kinder waren noch nie am Meer – wie auch 60 Prozent von ihnen nicht zur Schule gehen.

Eigentlich ist ganz Namibia ein Kinderparadies. Nur in den Städten Windhoek, Swakopmund und Walvis Bay und an den großen asphaltierten Überlandrouten ist der Straßenverkehr ein ernsthaftes Problem für die Kleinen.

Überall sonst gibt es eines in Überfülle – Raum sich auszuprobieren und zu spielen. Übrig bleiben die normalen Gefahren eines normalen Kinderlebens. Wer auf den Brandberg klettert, kann herunterfallen. Wer in der Namib-Wüste ohne Zelt unter dem überwältigenden Sternenhimmel übernachtet, kriegt bei Windstärke sieben Sand in den Schlafsack und in die Augen. Aber wen erschüttert das schon? Eine Tasse Rooibos-Tee zum Frühstück – und auf zu den Robben-Kolonien in Henties Baai am kalten Atlantik – da trifft man dann sowohl japanische Touristen als auch weiße Farmer aus Zimbabwe, die vor Robert Mugabes gewaltsamen Enteignungen flüchten. Doch das ist eine andere Geschichte.

Thomas Gebel