Auf der Theke umgemünzt

Prostituierte und Taxifahrer waren in der Silversternacht die Ersten, deren Dienste mit dem neuen Geld beglichen wurden

von KATHARINA KOUFEN

Der Euro ist da, Probleme gab es kaum. Trotz großen Andrangs in der Silvesternacht lief die Umstellung der Bankautomaten bei den meisten Banken glatt. Vor allem in den Großstädten wollten viele Menschen gleich nach Mitternacht die ersten Euroscheine ziehen. In der ersten halben Stunde des neuen Jahrs habe es allein an den Automaten der großen Berliner Banken 200.000 „Verfügungen“ gegeben, sagte Holger Schulz vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband. Das ist vier Mal so viel wie sonst. Teilweise seien die Automaten noch in der Nacht nachgefüllt worden.

Bis gestern Mittag wurden fast alle der 55.000 Geldautomaten in Deutschland auf Euro umgestellt. Nur vereinzelt kam es zu Engpässen. So meldete gestern die Landeszentralbank von Niedersachsen, in Oldenburg hätten nach Mitternacht zunächst nicht genügend Automaten die neue Währung auszahlen können. Auch in einigen ländlichen Gebieten dauerte die Umstellung etwas länger als in den Großstädten.

Der Bundesverband der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken meldete zufrieden, die Versorgung der Geldautomaten sei „reibungslos“ verlaufen. Auch die Konten der 100 Millionen Kunden seien „problemlos umgestellt“ worden. Vorsichtshalber hatten gestern 300 Sparkassen geöffnet sowie 600 Filialen der Postbank. „Das wird gut angenommen, alles verläuft wunderbar“, berichtete Postbank-Pressesprecherin Sylvia Blesing. Man hatte als Service für Kleinunternehmen gestern nochmals Starter-Kits mit 800 Euro in Scheinen und 275 Euro in Münzen ausgegeben. Zwar hatten die Firmen und Geschäfte bereits seit September die Gelegenheit, sich mit den neuen Scheinen und Münzen einzudecken, doch einige hatten die Vorbereitung verbummelt und nahmen das Angebot dankbar an.

Nicht nur Geld abheben, auch bezahlen konnte man gestern erstmals mit der neuen Währung. Und das hat, anders als viele befürchteten, in den meisten Geschäften weder Käufer noch Verkäufer überfordert. „Manche Leute zahlen mit Euro, wollen aber lieber D-Mark zurück“, sagt der Kassierer in einem Berliner Souvenirladen und zeigt auf seine zwei Kassen, eine mit Euro, eine mit Mark. „Wir machen das ganz nach Wunsch.“ Ähnlich gelassen sieht es die Verkäuferin der Bäckerei Meleck in Berlin-Moabit: „Wir dachten, ab heute läuft alles in Euro“, erzählt sie. Aber von den ersten zehn Kunden am Morgen hätten sieben in Mark bezahlt. Deshalb gab es auch das Wechselgeld gestern noch in der alten Währung – es sei denn, die Kunden verlangten ausdrücklich nach Euro. Dann greift die Verkäuferin eben in die Eurokasse. So einfach ist das.

Nicht ganz so einfach hatten es Kassierer ohne Extrakasse für Euro. „Wo soll ich denn die Cents jetzt hintun?“, fragte eine Verkäuferin in einem Berliner Kiosk – und bildete schließlich kleine Häufchen auf der Ladentheke. An einem anderen Kiosk erhielten die Käufer nur begrenzt Wechselgeld in Euro. Wer seine Zeitung mit einem Hundertmarkschein bezahlte, bekam vier Zwanzigmarkscheine zurück – und nur den restlichen Betrag in Euro. „Sonst reichen die Vorräte nicht“, erklärte der Verkäufer. Ein Kino in Berlin-Prenzlauer Berg richtete gestern zwei Schlangen ein: eine für Eurobesitzer, die andere für Eurolose, die erst tauschen müssen – und dann noch mal anstehen, um die Eintrittskarte zu kaufen.

„Bisher ist alles problemlos gelaufen“, fasste der Sprecher des Gesamtverbandes des Einzelhandels, Jan Holzweißig, den gestrigen Tag zusammen. Den großen Ansturm auf den Einzelhandel werde es aber erst heute geben. Auch werden die unterschiedlichen Zahlungsvarianten noch eine Weile nebeneinanderher existieren. Bis Ende Februar kann in beiden Währungen gezahlt werden, die Händler sind allerdings dazu angehalten, Wechselgeld in Euro zu geben. Beim Hauptverband des deutschen Einzelhandels ist man sogar der Meinung, in zwei Wochen werde die Mark keine Rolle mehr spielen.

Zu den ersten, die mit der neuen Währung als offizielles Zahlungsmittel in Berühung kamen, gehörten in der Silvesternacht Taxifahrer und Prostituierte. Vielen Taxifahrern war die Rechnerei mit der neuen Währung aber offenbar noch zu anstrengend. Sie gaben weiterhin in Mark raus und entsprachen damit meist dem Wunsch ihrer müden Fahrgäste, die ihrerseits noch kaum vom Euro Gebrauch machten. Prostiuierte nahmen hingegen gerne Euro an – und nutzen die Währungsumstellung zur Preiserhöhung. So mussten Freier in Amsterdam 50 Euro zahlen statt, wie bisher, 100 Gulden, was etwa 45 Euro entspricht.

Auch die Bahn teilte mit, die Umstellung aller elektronischen Systeme sei pünktlich zu Neujahr erfolgt. Fahrkarten werden nur noch zu Eurotarifen verkauft. Ein Teil der Automaten nimmt bis Ende Februar noch ausschliesslich Mark an, der andere Teil das neue Geld.

Ebenso verlief bei den meisten Tankstellen die Euroumrüstung reibungslos. Auch die meisten Zigarettenautomaten wurden ohne Probleme auf Euro umgestellt.

Seiner angeblichen Unbeliebtheit zum Trotz brachte der Euro in der Silvesternacht sogar Feierlaune an die Bankautomaten. Es sei Sekt und heißer Tee in Thermoskannen mitgebracht worden, berichtete ein Frankfurter Bankangestellter. Und eine ältere Frau, die fast eine Stunde gewartet hatte, fasste den Eurorummel so zusammen: „Wenn man die Scheine in der Hand hält, sind sie gar nicht so schlecht.“