Zuckerbrot und Pleite

In seiner Antrittsrede verspricht Eduardo Duhalde ein reformiertes Wirtschaftssystem. Schmerzhafte Entscheidungen klammert er aus

Der Peronist Eduardo Duhalde ist seit Dienstag der fünfte argentinische Präsident in weniger als zwei Wochen. In einer Sondersitzung von Senat und Abgeordnetenhaus wurde er als einziger Kandidat mit den Stimmen der Opposition und seiner eigenen Partei, der Justizialistischen Partei (PJ), gewählt. Duhalde wird das Mandat des kurz vor Weihnachten zurückgetretenen Präsidenten Fernando de la Rúa vollenden und Argentinien bis Dezember 2003 regieren. Die ursprünglich für März vorgesehenen Neuwahlen sind abgesagt.

„Es gibt heute nichts zu feiern“, sagte Duhalde in seiner Antrittsrede. Das Land sei pleite, in der Politik stehe man am Rande des Chaos. Duhalde versprach mit allen „politischen Parteien, den Unternehmern, den Gewerkschaften, der Kirche und Nichtregierungsorganisationen“ zusammenzuarbeiten. Ob dies bedeutet, dass am Kabinettstisch Minister aus den Reihen der beiden größten Oppositionsparteien Radikale Bürgerunion (UCR) und dem Mitte-links-Bündnis Frepaso sitzen werden, ist noch ungewiss. Auch wenn beide für Duhalde gestimmt haben, ist nicht entschieden, ob sie zu einer Regierungsbeteiligung bereit sind.

Duhalde kündigte an, das Wirtschaftsmodell wechseln zu wollen. „Das alte Modell hat abgewirtschaftet, es hat Mittelschicht und Industrie kaputtgemacht“, sagte er. In bester peronistischer Manier versprach er sich für die Schwächsten der Gesellschaft einzusetzen und appellierte an das Nationalbewusstsein. Dass schwierige und schmerzhafte Entscheidungen anstehen, klammerte er aus.

So ist hinter den Kulissen längst beschlossen, dass Argentinien die 1:1-Parität von Peso und US-Dollar aufheben wird. Dies bedeutet, dass die Ersparnisse der Argentinier weiter schrumpfen werden und die Inflation steigt. Anscheinend will Duhalde den Peso an einen Währungskorb aus US-Dollar, Euro und brasilianischem Real anbinden. Dies würde einer Abwertung um etwa 20 Prozent entsprechen. Duhalde versprach auch, die eingefrorenen Bankkonten der Argentinier baldmöglichst wieder aufzutauen – was gegenwärtig schlicht unmöglich ist, weil den Banken das Geld fehlt. Duhalde sollte mit derartigen Versprechen äußerst behutsam umgehen. Noch während seiner Antrittsrede gingen in Buenos Aires erneut die Menschen auf die Straße, um gegen den neuen Präsidenten zu demonstrieren.

Auch in seiner eigenen Partei ist Duhalde umstritten. Weil die mächtigen peronistischen Gouverneure Duhalde auszubremsen versuchten, da sie selbst an Präsidentenkarrieren basteln, verzögerte sich seine Wahl um fünf Stunden. Zeitweise sah es am Dienstagnachmittag gar so aus, als würde die Wahl des neuen Übergangspräsidenten scheitern. Erst zähe Verhandlungen innerhalb der peronistischen Partei machten Duhaldes Wahl möglich. Das Jawort der großen Oppositionsparteien hatte er zu diesem Zeitpunkt schon längst.

Während im Kongress die Peronisten sich untereinander hinter verschlossenen Türen stritten, gingen davor linke Demonstranten und Duhalde-Anhänger mit Knüppeln und Steinen aufeinander los. INGO MALCHER