Japan hustet mit Klimapakt

In der Rezession fürchten Japans traditionelle kleine und mittlere Unternehmen das Kioto-Protokoll. Konzerne sind fein raus, weil sie ins Ausland verlagern

TOKIO taz ■ Der Ofen des Bauunternehmens T. mit dem vier Meter hohen Schlot ist berüchtigt. Schwarz ziehen an sonnigen Tagen die Rauchschwaden verbrennenden Abbruchmülls ins kleine Tal des Hayabuchi-Flusses, der durch ein neues Wohnquartier im Norden Yokohamas fließt. Wenn Japan bis spätestens im Juni dieses Jahres das Kioto-Protokoll unterschreibt, wird die Dreckschleuder stillgelegt. Für den kleinen Bauunternehmer bedeutet dies, dass er pro Monat rund 5.000 Euro für die fachgerechte Entsorgung von Bauschutt ausgeben muss. Dagegen wehrt sich der alteingessene Unternehmer, der schon unter der allgemeinen Krise im Bausektor und der Rezession leidet und dazu hoch verschuldet ist.

Das Kioto-Protokoll sorgt auch in Japan für Dissonanzen in der Industrie. Die japanische Regierung stimmte in Marrakesch grundsätzlich zu, das Protokoll zu unterschreiben und die CO2-Emissionen bis im Jahre 2010 um 6 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu senken. Die internationalen Konzerne verfügen über genügend Ressourcen, um ihre Produktionswerke in die Schwellenländer Ostasiens auszulagern – vor allem Chemie und Elektronik werden in die Billiglohnländer verpflanzt. Japans Große sind so optimistisch, ihre Kohlendioxidziele zu erreichen. Mittlere und kleine Firmen hingegen stöhnen. Sie werden die Hauptlast tragen, und das zu einer Zeit, in der das Land in der tiefsten Rezession der Nachkriegszeit steckt und viele KMUs hoch verschuldet sind.

Die größte japanische Zeitung Yomiuri Shimbun heizte die Diskussion vergangene Woche mit einem Artikel an, gemäß dem auch das zentrale Beratergremium für Umweltfragen (Central Environment Council (CEC)) der Regierung vorschlagen will, dass die japanische Industrie nicht auf dem Gesetzesweg zur Reduktion von CO2-Emissionen gezwungen werden soll, sondern in einer ersten Phase von 2002 bis 2004 auf freiwilliger Basis die Ausstöße von Kohlendioxid bekämpfen soll. Die Industrie ist für 40 Prozent der landesweiten Emissionen verantwortlich.

Dabei sind Stimmen laut geworden, die voraussagen, dass Japan die vom Protokoll vorgegebenen Ziele verfehlen werde. Derzeit steigen die Emissionen in der weltweit zweitgrößten Industriemacht um jährlich 8 Prozent. Um die vorgegebenen Richtlinien zu erreichen, müsste das Inselreich die Emissionen um 14 Prozent jährlich senken. Dabei gehört Japan gemessen an der Wirtschaftskraft keineswegs zu den großen Sündern. Zwischen 1990 und 1999 wurden schätzungsweise 9,4 Milliarden Tonnen CO2 oder 3,7 Prozent der globalen Emissionen in Japan ausgestoßen. Die Rezession und die beschleunigte Auslagerung von Produktionswerken der Großindustrie in asiatische Schwellenländer dürften zur Emissionssenkung beitragen.

Nachdem die USA seit dem Amtsantritt von Präsident George W. Bush die Unterzeichnung des Klima-Protokolls verweigern, ist Japan trotz seines verhältnismäßig geringen Ausstoßes zu einem Schlüsselland für das Inkrafttreten des Klimapaktes geworden. Das Vertragswerk muss mindestens von 55 Prozent der Teilnahmestaaten unterzeichnet werden, die für 55 Prozent der Emissionen in Industrienationen verantwortlich sind. „Wenn Japan schon vor der Unterzeichnung verkündet, dass das Land die gesetzten Ziele nicht erreichen kann, wird das Protokoll schwer geschwächt“, erklärte Kimiko Hirata, eine japanische Umweltaktivistin. Hirata geht allerdings davon aus, dass die Regierung und das Parlament ein Gesetz verabschieden werden, das die Einhaltung der Ziele sichert. Schließlich sei das Kioto-Protokoll ein japanisches Kind, und das verpflichte, sagt Hirata. ANDRÉ KUNZ