Stoiber ganz brav

Offen bedeckt hält sich CSU-Chef Stoiber am ersten Tag in Kreuth vornehm zurück und kündigt Streben nach Einvernehmen mit Merkel an

WILDBAD KREUTH taz ■ Dass Edmund Stoiber ein Mann für alle Fälle ist, haben seine Unterstützer nie bezweifelt. Im Kampf um die Kanzlerkandidatur der Union hat er nun bewiesen, dass er sogar binnen 24 Stunden „good cop“ und „bad cop“ in einem sein kann. Zum Auftakt der CSU-Klausurtagung in Wildbad Kreuth trat Bayerns Ministerpräsident nur kurz vor Kameras und Mikrofone, um eine „einvernehmliche Entscheidung“ mit CDU-Chefin Angela Merkel in Aussicht zu stellen. Kein böses Wort fiel in der K-Frage – schon gar nicht das B-Wort, mit dem der gewiefte Taktiker seiner Konkurrentin am Vortag gedroht hatte: die Bundestagsfraktion, so Stoiber in einem wirkungsvoll lancierten Interview, solle über einen Kandidaten entscheiden, wenn er und Merkel sich nicht einigen könnten. In der Fraktion gilt eine Mehrheit für Stoiber als sicher.

Vergrößert wurden Merkels Nöte gestern auch ohne Zutun des Bayern. Mit Unionsfraktionschef Friedrich Merz griff einer der wichtigsten Christdemokraten Stoibers Vorschlag auf, nötigenfalls den Bundestagsabgeordneten das letzte Wort zu geben. Damit stellte sich Merz zum zweiten Mal in 48 Stunden neben Stoiber und gegen Merkel. Am Wochenende hatte er bereits wie der CSU-Chef auf eine Entscheidung im Januar gedrungen, während Merkel gerne mehr Zeit hätte, um den internen Trend gegen sich noch zu wenden. Möglicherweise hofft Merz mit der Unterstützung Stoibers zu verhindern, dass er der CDU-Vorsitzenden zum Ausgleich den Fraktionsvorsitz anbietet, falls sie auf die Kanzlerkandidatur verzichtet.

Der CSU-Chef hat seinem Team für den ersten der drei Tage in Wildbad Kreuth Zurückhaltung verordnet, um nicht als Spalter der Union dazustehen. Trotz aller Zuversicht blicken schließlich auch manche in der siegesgewohnten bayerischen Regierungspartei mit Bangen auf einen schwierigen Wahlkampf gegen einen starken Kanzler Gerhard Schröder. „Wenn die CDU nicht einigermaßen geschlossen ist“, meinen CSU-Hinterbänkler im Bundestag, „dann ist die Kandidatur für einen CSUler nicht ratsam.“ Gerhard Friedrich, Umweltexperte in der Landesgruppe, warnt: „Zum Spaß mal marschieren und dann sehen, wie die Sache schief läuft, ist auch nicht lustig.“ Stoibers Vorschlag, die Fraktion über die K-Frage entscheiden zu lassen, erscheint darum vielen CSU-Politikern als Chance, die große Schwester auf den eigenen Mann zu verpflichten. „Die CSU hat keine Mehrheit in der Bundestagsfraktion“, betont Münchens CSU-Chef Johannes Singhammer. Wenn die Fraktion dennoch für Stoiber stimme, sei dies ein doppelter Vertrauensbeweis.

Stoibers großer Auftritt ist für heute geplant. Beim Zeitplan zeigte er sich schon gestern hart. „Mit Sicherheit noch in diesem Monat“ werde das Gespräch zwischen ihm und Merkel stattfinden, meinte er – ohne zu sagen, ob seine Konkurrentin dem zugestimmt hat. PATRIK SCHWARZ