„Rot-Rot ist Treppenwitz der Geschichte“

Während SPD und PDS von ihrem Koalitionsvertrag und ihrer Ressortverteilung begeistert sind, gab es gestern von vielen Seiten harsche Kritik. Opposition, Wirtschaftsverbände und DDR-Bürgerrechtler befürchten Schlimmes

Nur Wahlkampf ist schöner. „Kapitulation vor der Zukunft“, „historischer Tabubruch“ und „Berlin am linken Rand der Republik“: Nachdem Klaus Wowereit (SPD) und Gregor Gysi (PDS) am Montagabend in trauter Zweisamkeit die eben gefundenen Kompromisse über die Präambel des Koalitionsvertrags und die Ressortverteilung präsentierten, hagelte es gestern in Berlin Kommentare zu der neuen rot-roten Koalition.

Noch am Montagabend gab Alt-Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) zu Protokoll, was er von seinen Nachfolgern hält: nämlich nichts. Die Koalitionsvereinbarung von SPD und PDS sei „eine Kapitulation vor der Zukunft“. Das zeige sich besonders daran, dass die SPD das Wirtschafts-, Arbeits- und Kulturressort an die PDS abgegeben habe, wo doch gerade vom Zusammenwirken dieser Ressorts mit der Wissenschaftspolitik die „Zukunft unserer Stadt“ abhänge. Der CDU-Landesvorsitzende fügte hinzu, dass auch die „mühsam gefundenen Formulierungen“ der Präambel nicht über die Unfähigkeit der PDS hinwegtäuschen können, sich klar von ihren alten Strukturen und undemokratischen Teilen zu trennen.

Parteifreund und Möchtegernbürgermeister Frank Steffel schloss sich der Kritik gleich an: Die Koalition sei nicht nur ein historischer Tabubruch, sondern auch ohne Visionen und gegen alle Zukunftsprojekte wie zum Beispiel Olympia und Flughafen. Der Montag sei ein „roter Montag mit schweren Folgen für alle Berlinerinnen und Berliner gewesen“.

Die Wirtschaftsverbände zeigten sich ebenfalls nicht sonderlich begeistert über Rot-Rot, insbesondere nicht über die Tatsache, dass ausgerechnet der PDS das Wirtschaftsressort zugesprochen wurde. „Die PDS zeichnet sich in ihrer Programmatik nicht unbedingt durch große Nähe zur sozialen Marktwirtschaft aus“, kommentierte gestern Stefan Siebner von der Industrie- und Handelskammer (IHK) gegenüber der taz. „Unter den Unternehmern gibt es gewisse Vorbehalte, die es abzubauen gilt.“ Gleichzeitig wolle man als IHK aber versuchen, so gut wie möglich mit der demokratisch gewählten Regierung zusammenzuarbeiten und das Optimum für den Wirtschaftsstandort Berlin herausholen. Eines sei aber auch klar, so Siebner: „Wenn die PDS die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage als vordringlichste Aufgabe sieht, dann sollten sie auch ihren besten Mann dafür stellen!“

Während auch die Vereinigung der Unternehmensverbände Hemmnisse durch falsche Wirtschaftsförderung, Geschlechtergerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeitsziele befürchtet, haben ehemalige Bürgerrechtler mit der neuen Koalition ganz andere Probleme: Nach Ansicht von Werner Schulz, Leipziger Bürgerrechtler und jetziger Grünen-Abgeordneter, geht es der PDS nur um die Macht. Sie wolle über Berlin und Magdeburg drittstärkste Partei im Bund werden. „Sie will also zurück an die Macht in einem Land, das ihre Vorgängerpartei mal ganz in der Gewalt hatte.“

Auch Günther Nooke (CDU), DDR-Bürgerrechtler und Sprecher der Abgeordneten aus den neuen Bundesländern, wütete gegen die Roten im Roten Rathaus: Die Regierungsbildung von SPD und umbenannter SED sei ein „Treppenwitz der Geschichte“. Schlimm sei nur, dass einige in der Stadt darüber sogar lachen könnten, während viele andere wütend und ohnmächtig zusehen müssten.

Bei so viel strikter Ablehnung war die zurückhaltende Formulierung der Gewerkschaft Ver.di gestern ein Lichtblick: Man sei „vorsichtig optimistisch“, ließ Landeschefin Susanne Stumpenhusen verkünden, aber man warte noch ab, denn der Teufel stecke bekanntlich im Detail

SUSANNE AMANN