: Zwei Namen anstelle eines Provisoriums
Griechenland und Mazedonien streiten über den Namen des Balkanstaates. Jetzt gibt es einen neuen Vorschlag
BERLIN taz ■ Namen sind mehr als Schall und Rauch – besonders im Falle Mazedoniens. Bislang firmiert die Balkanrepublik, nicht zuletzt wegen der Blockadehaltung Griechenlands, auf internationalem Parkett unter der wenig eingängigen und alles andere als identitätsstiftenden Bezeichnung FYROM (Former Yugoslav Republic of Macedonia). Jetzt jedoch mehren sich Anzeichen dafür, dass der leidige Namensstreit mit dem Nachbarn endlich beigelegt werden könnte.
Der Disput begann mit der Unabhängigkeit Mazedoniens im Jahre 1991 und dauert bis zum heutigen Tag an. Anfangs fürchtete Athen territoriale Ansprüche Skopjes auf seine nördliche Provinz mit dem Namen Makedonja. Bis 1993 verzögerte das die internationale Anerkennung des jungen Staates, der im April als FYROM in die Vereinten Nationen (UNO) aufgenommen wurde. Im Februar 1994 verhängte Griechenland unter der Ägide von Premierminister Andreas Papandreou ein Handelsembargo über Mazedonien.
Ein Jahr später kam Bewegung in den Konflikt. Unter Mitwirkung der beiden Vermittler der internationalen Konferenz über Exjugoslawien, Cyrus Vance und Lord Owen, unterzeichneten Skopje und Athen ein Interimsabkommen. Entsprechend dem Abkommen, das in diesem Jahr ausläuft, änderte Mazedonien seine Staatsflagge ab. Diese zeigt jetzt nicht mehr den „Stern von Vergina“, sondern eine Art stilisierte Sonne. Zuvor hatte Mazedonien seine Verfassung um drei Passagen ergänzt, wonach es auf territoriale Ansprüche gegenüber seinen Nachbarn verzichtet, sich nicht in deren innere Angelegenheiten einmischt und Grenzänderungen allenfalls in Übereinstimmung mit internationalen Normen anstrebt.
Mittlerweile haben sich die Beziehungen zwischen den beiden Ländern entspannt, und Griechenland ist heute der größte ausländische Investor in Mazedonien – allein im Namensstreit steht, trotz Vermittlung der UNO, eine Einigung noch aus. Anstelle von potenziellen Gebietsansprüchen birgt dabei die Frage nach Identitäten und nach dem Anspruch auf das historische Erbe politischen Zündstoff.
Einen Ausweg aus der Sackgasse könnte jetzt ein Vorschlag der Brüsseler Nichtregierungsorganisation International Crisis Group (ICG) weisen, der kürzlich vorgelegt wurde. Darin listet die ICG drei Schlüsselemente auf, die beiden Seiten eine Einigung ohne Gesichtsverlust ermöglicht. So ist ein bilateraler Vertrag zwischen Griechenland und Mazedonien vorgesehen, der Griechenland berechtigt, für seinen Nachbarn die Bezeichnung „Ober-Mazedonien“ (Upper Macedonia) oder eine andere zusammengesetzte Formel zu verwenden. Gleichzeitig dürfen Unternehmen beider Staaten für Waren und Dienstleistungen, die auf dem jeweiligen Territorium produziert werden, den Namen „Mazedonien“ führen. Demgegenüber wird Mazedonien von der internationalen Staatengemeinschaft unter dem verfassungsmäßigen Namen „Republika Makedonija“ anerkannt.
Dass dieser Vorschlag gerade jetzt kommt, ist kein Zufall. Noch immer hat das Abkommen von Ohrid über Verfassungsänderungen zugunsten der albanischen Minderheit, dass die slawischen Mazedonier und die Albaner nach monatelangen, bewaffneten Auseinandersetzungen am 13. August 2001 unterzeichneten, nicht das Parlament in Skopje passiert. Eine für Dezember geplante Geberkonferenz musste deswegen auf Mitte Januar verschoben werden. Gerade der Erfolg von Ohrid hänge, so die Studie von ICG, in entscheidendem Masse von einer Lösung des Namenskonfliktes ab, denn: „Wird der anachronistische Ersatz FYROM weiter verwendet, hilft das nur inneren und äußeren Kräften, die auf Konfrontation und Teilung setzen. Ein permanenter Kompromiss wie Ohrid kann nicht in einem Staat mit einem provisorischen Namen wie FYROM funktionieren.“
Zumindest der mazedonische Präsident Boris Trajkowski zeigte sich von dem jünsten ICG-Vorstoß angetan. Der Vorschlag sei eine gute Basis, den absurden Streit zu beenden, sagte Trajkowski dem mazedonischen Dienst der Deutschen Welle. „Wenn er angenommen wird, ist das letzte Problem zwischen den beiden Staaten gelöst.“
BARBARA OERTEL
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