Bäcker soll seine Brötchen in Togo backen

Behörden wollen Flüchtling abschieben, der seit 1992 in Schwaben lebt. Diktatur in Togo und der Fachkräftemangel in Deutschland interessieren nicht

BERLIN taz ■ In der „Kollektiv-Bäckerei Weber GmbH“ in der 27.000-Einwohner-Stadt Winnenden bei Stuttgart liegt neben Brötchen und Brot eine Unterschriftenliste aus. Darin wird jedoch nicht der Kauf von Croissants oder Früchtekuchen aus kontrolliert biologischem Anbau angepriesen, sondern ein menschliches Schicksal angeprangert. „Es geht um einen von uns, einen Kollegen aus der Backstube. Er ist – durch die Behörden im Winnender Rathaus und im Regierungspräsidium in Stuttgart – in seiner Existenz hier bedroht.“ Bisher haben etwa 400 KundInnen den Protest unterschrieben „gegen den Menschen verachtenden Irrsinn, der ohne jede Notwendigkeit einen Menschen aus seiner Existenz reißt und einem Handwerksbetrieb schweren Schaden zufügt“.

Die Rede ist von Said Muhammed, einem 38-jährigen Togolesen, der für das Bäckereikollektiv zu einer „unverzichtbaren Stütze“ geworden ist. Muhammed studierte in Togo Landwirtschaft, engagierte sich in der Oppositionspartei PDR und landete als Mitglied einer Studentenbewegung auf einer schwarzen Liste. 1992 kam er nach Deutschland. Bis zum 20. November vergangenen Jahres glaubte er, hier eine Zukunft zu haben. Er hatte in dem Bäckereikollektiv, das 1998 einen Preis als „Frauen- und familienfreundlicher Betrieb“ erhielt, eine Lehre gemacht und anschließend als Geselle gearbeitet. Als er Mitte November im Winnender Rathaus seine Duldung verlängern wollte, erfuhr er, dass das Arbeitsamt ihm bereits im Oktober die Arbeitserlaubnis entzogen hatte. Der Grund: Die Behörden werfen ihm fehlende Mitwirkungspflicht bei der Passbeschaffung vor. Seine Duldung endet nun am 28. Januar.

Seinen ersten Asylantrag hatte er mit seinem politischen Engagement in Togo begründet. Zudem hatte er angegeben, dass ein Bruder, der einige Zeit in Deutschland gelebt hatte und den gleichen Namen wie er trägt, nach seiner Rückkehr in Togo verschwunden sei. Der Antrag wurde vom Gericht abgelehnt, weil seine Angaben „ungereimt“ und „widersprüchlich“ seien. „So kann man jeden Antrag ablehnen“, sagt sein Anwalt Franz Spindler. Der zweite Asylantrag, den er mit seinem Engagement in einer togoischen Exilorganisation begründete, wurde ebenfalls abgelehnt. Said Muhammed gehörte zu den etwa 200 Togolesen, die im Oktober 2000 auf der Expo den Besuch des Landespavillons durch Staatspräsident Eyadema verhinderten. Sie protestierten gegen die „blutige Diktatur“ in Togo und die „Heuchelei“ der internationalen Gemeinschaft und Deutschlands gegenüber togoischen Asylbewerbern. Nach Angaben von Pro Asyl ist Eyadema „der dienstälteste Diktator Afrikas“, dessen Regime jeden Ansatz demokratischen Wandels bis heute im eigenen Land skrupellos bekämpft.

Der vereitelte Pavillonbesuch sorgte in Togo für Schlagzeilen. Und im vergangenen Jahr erklärte ein Bremer Einzelrichter im Anhörungsverfahren eines Togolesen, es sei keine Frage, „dass, wer hier politisch aktiv ist, dort auf der Liste steht“. Fraglich sei allerdings, welche Folgen das habe. Anwalt Franz Spindler geht davon aus, dass sein Mandant in Togo „vom Tode bedroht wird“. Er beklagt zudem die „Daumenschrauben“ der Behörden. „Alle positiven Anknüpfungspunkte werden meinem Mandanten genommen, damit er geht.“ Für den Anwalt stellt sich die Frage, warum Said Muhammed, der seit neun Jahren in der Bundesrepublik lebt, nicht im Rahmen einer Duldung einen Aufenthalt bekommt. „Für Exjugoslawen gibt es eine solche Regelung, für Afrikaner jedoch nicht.“

Zweimal sei sein Mandant vergebens bei der togolesischen Botschaft gewesen. „Es ist nicht seine Schuld, dass er keine Papiere bekommt.“ Sollte die Ausländerbehörde die Abschiebung durchsetzen, befürchtet der Anwalt Kurzschlusshandlungen. „Muhammed ist suizidgefährdet.“ Selbstmordgefährdete Menschen dürfen rechtlich nicht abgeschoben werden.

Bisher hat die Bäckerei keinen Ersatz für Muhammed gefunden. Zwei Vermittlungsangebote vom Arbeitsamt scheiterten, weil sich die angegebenen Bewerber gar nicht erst meldeten. „Der Bäckereiberuf ist ziemlich unbeliebt, und Fachkräfte sind rar“, so einer der Geschäftsführer des Kollektivs. B. BOLLWAHN
DE PAEZ CASANOVA