Auferstanden aus Ruinen

Die neue Berliner Koalition aus SPD und PDS stößt auf Kritik und Misstrauen. FDP: Versuchslabor für neue Machtoption. PDS distanziert sich in Präambel vom Unrecht der früheren SED-Herrschaft

BERLIN taz ■ Die Bildung einer Koalition aus SPD und PDS in Berlin ist gestern von früheren Bürgerrechtlern der DDR, von der Union und den Liberalen heftig kritisiert worden. Die künftige rot-rote Regierung in Berlin ist nach Meinung des Gründungsmitglieds des Neuen Forums und grünen Bundestagsabgeordneten Werner Schulz kein Beitrag zur deutschen Einheit. Schulz warf der PDS vor, es gehe ihr ausschließlich um Machtbeteiligung „in einem Land, das ihre Vorgängerpartei mal ganz in der Gewalt hatte“.

Für Wolfgang Templin, den Mitbegründer der Initiative Frieden und Menschenrechte in der DDR, ist die Präambel der Koalitionsvereinbarung zur politischen Verantwortung der PDS-Vorgängerin SED „keinen Pfifferling wert“. Wirkliches Kriterium für eine Veränderung in der PDS sei, ob die PDS die Interessen der SED-Opfer vor die der Täter stelle und ob sie bereit sei, sich von den DDR-nostalgischen Teilen in ihrer Partei zu trennen. Auch Markus Meckel, Gründungsmitglied der Ost-SPD, ist von der Koalition der eigenen Genossen wenig begeistert. Im Deutschlandfunk kritisierte er gestern, „dass man der PDS gewissermaßen einen Steigbügel für die Westausdehnung gibt, um dann wirklich zu einer gesamtdeutschen Partei zu werden“. Problematisch sei dies vor allem, „da es künftige Mehrheitsbildungen für sozialdemokratisch geführte Bundesregierungen erschweren wird“. Die Berliner Hilfsorganisation für SED-Opfer Help befürchtet gar, dass die neue Landesregierung der Tätigkeit ihrer Organisation ein Ende bereiten werde.

In der Präambel zur geschichtlichen Verantwortung der SED urteilen die Koalitionäre, dass die Berliner Mauer nicht nur weltweit als „Symbol für die Blockkonfrontation und den Kalten Krieg“ stehe, „sondern vor allem zu einem Symbol für Totalitarismus und Menschenverachtung“ geworden sei. Für die Verfolgung von Sozialdemokraten und anderen Teilen der demokratischen Opposition in der DDR trage „die SED eine bleibende Schuld“.

Eher erwartungsgemäß lehnte der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber die Regierungsbeteiligung der PDS ab. Stoiber sprach von einem „Treppenwitz der Geschichte“.

Ein von der PDS geführter Wirtschaftssenat in Berlin ist auch nach Ansicht des CDU-Generalsekretärs Laurenz Meyer „eine schlimme Botschaft für Wirtschaft und Arbeitsmarkt“. Für die FDP lehnte deren Generalsekretärin Cornelia Pieper die neue SPD/PDS-Regierung als „Versuchslabor für eine neue Machtoption“ auf Bundesebene ab. WOLFGANG GAST

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