EICHEL SIEHT WIRTSCHAFTSBELEBUNG PASSEND ZUM WAHLTERMIN
: Aufschwüngchen gegen die Arbeitslosen

Alle vier Wochen gibt es schlechte Nachrichten aus Nürnberg – nicht nur für die Öffentlichkeit, sondern auch für Bundeskanzler Schröder. Bald überschreiten die Arbeitslosenzahlen die magische Vier-Millionen-Schwelle. Wenn es mit der Beschäftigungspolitik nicht klappt, kann der Kanzler nur darauf hoffen, dass es wenigstens mit der Konjunktur bald bergauf geht. Ein Wirtschaftsaufschwung im Wahlkampf könnte die Arbeitslosen aus der Diskussion drängen. Den Versuch ist es wert – Mutmachen lautet nun die Devise.

Wenig verwunderlich also, dass Finanzminister Eichel das Tal der Tränen bereits hinter uns sieht. Munter verkündet sein Ministerium, dass es spätestens am Ende des zweiten Quartals mit der Konjunktur bergauf geht. Rechtzeitig für die Bundestagswahlen also. Die Rettung für die Regierung Schröder? Wenn sich der selbst gemalte Silberstreif der Bundesregierung bewahrheiten sollte, vielleicht. Vieles spricht allerdings dafür, dass die Regierungszahlen wieder einmal viel zu optimistisch sind. Eine Meinung, die auch die Wirtschaftsweisen vertreten, die von einem nur halb so hohen Wachstum ausgehen wie die Regierung.

Wen wundert’s? Schönfärberei hat im Gegensatz zum ganzen Rest schon seit langem Konjunktur. Das ganze letzte Jahr hindurch musste sich die Bundesregierung eingestehen, dass sie ihre Maßvorgaben sowohl bei den Arbeitslosen als auch bei den Wirtschaftsprognosen nicht einhalten konnte. Die Regierungszahlen sind schon lange nicht mehr glaubhaft. Warum sollten sie es jetzt sein?

Und selbst wenn wir Eichel ein Aufschwüngchen abnehmen wollen – es dauert, bis sich Konjunktur in Beschäftigung umsetzt. Er werde sich an der Arbeitslosigkeit messen lassen, hat Schröder aber vor vier Jahren gesagt. Ein Satz, den alle behalten haben. Für die Opposition bietet dieser Ausspruch die wichtigste Steilvorlage zum Sturm auf das Tor der Regierungsmannschaft. Arbeitsmarkt und Wirtschaftspolitik sind genau die Bereiche, in denen die CDU punkten wird.

Noch allerdings sieht die Regierung etwas Zeit für politische Aktivitäten. Hektisch haben sich deswegen sowohl Grüne als auch SPD zu Klausurtagungen zusammengefunden, um über Maßnahmen zur Senkung der Arbeitslosenzahlen zu beraten. Doch ökonomisch machen sie so spät keinen Sinn mehr – die Umtriebe sind ebenso peinlich wie die vielen Vorschläge der letzten Tage unausgegoren, verschwommen oder lediglich neu aufgekocht. Das Zeugnis ist geschrieben. Gegen schlechte Noten helfen alle Klausuren nicht mehr. CHRISTIAN JAKOB