Somalia als neuer Paria in Ostafrika

In Sudan treffen heute die Staatschefs der Länder am Horn von Afrika zusammen, um über den Kampf gegen den Terror zu beraten. Somalia ist dabei ein Hauptthema. Die Vorbereitungen für eine internationale Militäraktion werden konkreter

von DOMINIC JOHNSON

Vor wenigen Jahren galt Sudan noch als verfemt, von USA und UNO als Unterstützer des internationalen Terrorismus mit Sanktionen belegt und von seinen Nachbarn mit Argwohn betrachtet. Die Terroranschläge vom 11. September 2001 haben das verändert. Ausgerechnet in Sudans Hauptstadt Khartum reden ab heute die Staatschefs von Ostafrika über gemeinsame Terrorismusbekämpfung.

Der Gipfel der „Interregierungsbehörde für Entwicklung (Igad), der Äthiopien, Dschibuti, Eritrea, Kenia, Somalia, Sudan und Uganda angehören und dessen Treffen normalerweise sehr langweilig sind, gewinnt dadurch an Brisanz. Er bündelt die regionalen Veränderungen wie in einem Brennglas. Vor die Wahl zwischen Mogadischu und Washington gestellt, fällt den ostafrikanischen Regierungen die Entscheidung nicht schwer. Auf dem Igad-Gipfel von Khartum wird Somalia die Pariarolle besetzen, die einst Sudan spielte.

Sudans Regierung soll dem Gipfel die Lage in Somalia erklären, mögliches nächstes Ziel eines US-Militärschlags. Sudans Somaliabeauftragter, der ehemalige Staatschef Jaafar Nimeiry, stellte bei seiner vorbereitenden Reise durch das Horn von Afrika Somalias Übergangsregierung auf das gleiche Niveau mit ihren Gegnern und deutete damit bereits eine Tendenz an. Die Übergangsregierung wird von den USA als islamistisch unterwandert eingestuft; ihre bewaffneten Gegner, vereint im SRRC (Somalischer Rat für Restauration und Versöhnung), werden von Äthiopien mit Ermunterung der USA aktiv unterstützt.

Äthiopien und Sudan sind sich in den letzten Jahren nahe gekommen und haben zahlreiche Kooperationsabkommen abgeschlossen. Äthiopien bietet Sudans Rebellen kein Rückzugsgebiet mehr, und äthiopische Flüchtlinge in Sudans Hauptstadt Khartum sind vor dem Igad-Gipfel verhaftet worden und müssen mit Deportation rechnen. Äthiopien ist der wichtigste Alliierte der USA am Horn von Afrika – Sudan möchte gerne in die Reihe der US-Freunde aufgenommen werden.

Der wichtigste Öllieferant der Region, immer ein gutes Indiz für die Relevanz eines Landes in den Augen von US-Außenpolitikern, ist Sudan bereits. Nach Äthiopien hat vor wenigen Tagen auch das anglophile Kenia beschlossen, aus Sudan Öl zu kaufen. Die Ölgebiete des Sudan sind Kriegszonen, und die Ölfördereinrichtungen werden regelmäßig von der südsudanesischen Rebellenbwegegung SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee) angegriffen. Gerhard Baum, der deutsche Sudanbeauftragte der UN-Menschenrechtskommission, sagte vor kurzem in Berlin: „Die Ölgesellschaften können machen, was sie wollen – sie sind Teil des Krieges.“

Der Krieg im Südsudan hat seit 1983 die Hälfte der fünf Millionen Südsudanesen getötet oder vertrieben. Aber das kümmert die USA immer weniger, die lange auf die SPLA als Bollwerk gegen den militanten Islam setzten. Heute, so die Rechnung in Washington, kann Sudan eher mit Versprechungen einer Aufhebung seiner Isolation und einem Ende der US-Unterstützung für die SPLA gefügig gemacht werden. Sudans Regierung beendete im Gegenzug seine Unterstützung für Rebellen in Uganda, ein enger Freund der USA. Die medienwirksame Versöhnung zwischen den Präsidenten von Sudan und Uganda wird ein wichtiges Element des Igad-Gipfels sein.

Somalia ist aus US-Sicht schwieriger. Da die Bildung einer stabilen Regierung, die das Land kontrolliert, nicht in Sicht ist, muss das Ausland direkt eingreifen, wenn es etwas in Somalia will. Die Vorbereitungen dazu gedeihen. Äthiopiens Armee trainiert somalische SRRC-Milizen; die USA überwachen den somalischen Luftraum und mit Hilfe Großbritanniens, Frankreichs und demnächst Deutschlands auch die Seewege.

Eine Schlüsselrolle spielt Dschibuti, wo ständig 2.600 französische Soldaten stehen. Deutsche Vorauseinheiten werden Mitte Januar in Dschibuti erwartet, um eine Militärbasis zu errichten. Wenn die am 2. Januar ausgelaufenen Schiffe der Bundesmarine in Dschibuti eintreffen – vermutlich in etwa zehn Tagen – werden nach Angaben aus Dschibuti zunächst 300 Bundeswehrsoldaten dort stationiert.

Noch im Jahr 2000 war Dschibuti Gastgeber jener Somalia-Friedenskonferenz, auf der die somalische Übergangsregierung gebildet wurde. Heute ist sie Gastgeber der Länder, die diese Regierung stürzen wollen. Somalia bleibt nur noch der Countdown zum Krieg.