Ein Exfaschist als Alternative

Die Koalitionspartner von Berlusconi wollen den Außenministerposten schnell besetzen, denn nur so können sie die Macht des Premiers begrenzen

aus Rom MICHAEL BRAUN

Sechs Monate, sechs Wochen – oder nur sechs Tage? In Rom schießen Spekulationen ins Kraut, wie lange Silvio Berlusconi wohl den Außenminister Italiens macht. Und schon ist die Zeitfrage zur Streitfrage in der Koalition geworden. „Keine Eile“ bei der Neubesetzung hat Forza Italia, die Partei des Regierungschefs. In Ruhe solle ein Kandidat ausgeguckt werden, der die Tugend der Nibelungentreue zu Berlusconi mitbringe.

Eilig haben es dagegen zwei der drei Koalitionspartner. Die Postfaschisten unter Vizeministerpräsident Gianfranco Fini und die Christdemokraten des Präsidenten der Abgeordnetenkammer, Pierferdinando Casini, wollen eine schnelle Lösung – und sie haben mit Fini auch schon einen Kandidaten parat, auf den die von Forza Italia vorgelegte Stellenausschreibung kaum passt.

Finis Kandidatur: Sie darf als Versuch interpretiert werden, einen weiteren Machtzuwachs Berlusconis im Kabinett zu verhindern. Und sie steht für den jetzt ausgebrochenen Richtungskampf in der Koalition – für einen Richtungskampf allerdings, in dem europäische Fragen kaum abgehandelt werden.

Schon Berlusconi hielt sich bei seinem Amtsantritt als Interimsaußenamtschef mit Auskünften zur Europapolitik Italiens zurück, schwadronierte dagegen über die Pflicht der Botschafter, Italiens Exporten Schwung zu verleihen – und verstärkte so den Eindruck, schlicht gar keine Linie für Europa zu haben. Und die Europaskeptiker im Kabinett glänzen zur Zeit mit glühenden Bekenntnissen zur Union. Gestern meldete sich Verteidigungsminister Antonio Martino mit der Auskunft, die Einführung des Euro – dessen Scheitern er noch vor wenigen Tagen für möglich erklärt hatte – sei „ein epochales Ereignis“.

Die Nominierung des nächsten Außenministers wird deshalb weniger über den europäischen Kurs Italiens Auskunft geben als über die Innenpolitik. Nicht umsonst schmiedeten Umberto Bossi von der Lega Nord und der Forza-Italia-Schatzminister Giulio Tremonti – sie waren Ruggieros Intimfeinde im Kabinett – schon vor den Wahlen ihre Achse entlang innenpolitischer Fragen: Sie wollen Bossis radikales Föderalkonzept im Interesse der Nordregionen durchsetzen und treten für den totalen Abbruch des Dialogs mit den Oppositionsparteien und den Gewerkschaften ein. Ruggiero, der sich bei seiner Außenpolitik immer wieder stolz auf die Unterstützung durch die Opposition berief, passte nicht in ihr Bild. Und auch die Tatsache, dass der Außenminister als Freund Gianni Agnellis der Mann des ökonomischen Establishments in der Regierung war, machte ihn dem Populisten Bossi verhasst.

So bizarr es erscheinen mag: In diesem Szenario präsentiert sich der Exfaschist Fini als „Taube“ an der Seite Casinis. Fini und Casini mussten zur Kenntnis nehmen, dass Berlusconi sich mit der Kabinettskrise rundheraus auf die Seite Bossis und Tremontis geschlagen hat – und dass er Ruggiero abservierte, ohne Fini auch nur zu konsultieren. Fini, der Ruggiero im Kabinett noch am nächsten stand, wäre ein Außenminister, der zumindest ein bisschen Kontinuität verkörpern würde. Doch Fini hat nicht nur das Problem, dass er als Exfaschist in Israel nicht vorgelassen wird. Er muss auch damit fertig werden, dass ihm seine Sprüche von 1994 – der Duce sei „der größte Staatsmann des Jahrhunderts“ – eine Pariarolle in Europa einbringen würden.

Gute Argumente für Berlusconi, doch einen gehorsamen Befehlsempfänger im Außenministerium zu platzieren. Impulse sollte sich die EU von einem solchen Minister nicht erwarten – höchstens ab und zu ein innenpolitisch motiviertes Veto. Die Linie gab Schatzminister Giulio Tremonti schon letztes Jahr nach dem Wahlsieg vor: Italien werde der Osterweiterung nur zustimmen, wenn die EU-Programme für den Mezzogiorno nicht angetastet würden.