Angst vor den Billigkutschern

■ Der öffentliche Nahverkehr im Wettbewerb: Bringen Ausschreibungen nur Lohndumping? BSAG hofft auf Europa und einen kontrollierten Wettbewerb

Die Sorgenfalten der Verkehrsbetriebe stammen meist aus Brüssel. Konkret: Von den bisherigen Gesetzentwürfen der Europäischen Kommission, die bislang mehr Wettbewerb im Öffentlichen Personen-Nahverkehr vorsahen. Und damit die kommunalen Bus- und Bahnbetreiber um die Ausschreibung jeder einzelnen ihrer Strecken fürchten ließen.

Inzwischen aber gibt es auch andere Signale aus Brüssel. Hoffnungsvolle, befand gestern die Bremer Straßenbahn AG. Die sich statt völlig freiem Wettbewerb jetzt einen „kontrollierten“ Rahmen erhofft.

Angst vor massivem Verfall der Qualität

„Der Nahverkehr ist doch kein Stromunternehmen“, vergleicht Hubert Resch, Arbeitsdirektor bei der BSAG. Im Gegensatz zum liberalisierten Strommarkt bringe mehr Wettbewerb auf der Straßenbahnschiene eben nicht einfach nur „Leben in die Bude“. Nicht nur die BSAG befürchtet da Lohndumping jenseits der Tariflöhne und massiven Qualitätsverfall. Um billiger zu sein, würden private Anbieter womöglich ihre „Fahrzeuge so lange einsetzen bis sie auseinanderfallen, und statt einem Wartehäuschen gibt es meist nur eine Fahnenstange mit Fahrplan dran“, so Resch. „Aber gewinnen kann man nur an einer Front: mit der Akzeptanz der Kunden.“

Kontrolliert oder freier Wettbewerb?

Beim eingeschränkten, „kontrollierten Wettbewerb“, wie ihn das Europäische Parlament jetzt offenbar durchsetzen will, könnte dagegen erstmal die Kommune entscheiden, ob sie weiterhin ihre eigenen Verkehrsbetriebe wie die BSAG fahren lässt oder das Ganze doch ausschreibt.

Für Resch ist das die Chance. Im Dezember noch ging ein Brief mit seiner Unterschrift an die Bremer Umweltsenatorin Tine Wischer (SPD), „um diesem Entwurf in Brüssel den Rücken zu stärken“. Eine Antwort aus dem Umweltressort liegt zwar noch nicht vor, „die Position des Hauses ist aber, die BSAG in der Region zu stärken und fit für die Zukunft zu machen“, so Ressortsprecher Holger Bruns. Schließlich habe man jetzt zum ersten Mal einen Vertrag mit der BSAG ausgehandelt, der dem Verkehrsbetrieb eine verlässliche finanzielle Grundlage schaffen soll. Freier Wettbewerb sei aber nicht per se schlecht, meint dagegen der Verkehrsclub Deutschland (VCD). Bei 40 Millionen Autos und 30 Prozent Berufspendlern jeden Tag in Deutschland müsse man dem PKW andere Angebote entgegensetzten.

Auf der DB-Schiene haben die ersten Privatisierungen zum Beispiel wieder mehr Kunden in die Bahnen gelockt, so VCD-Sprecher Michael Frömming. „Während die Deutsche Bahn die heutigen Strecken der Nordwest-Bahn zum Teil schon abgeschrieben hatte, bringen die bis auf manchen Strecken bis zu 70 Prozent mehr Fahrgäste.“

„Die kommunalen Verkehrsbetriebe haben vor allem eine Riesenangst vor den Privaten“, so Frömming. Wenn mit der Ausschreibung aber auch Tariflöhne als Standards vereinbart werden, hätten auch die bisherigen Lokalgrößen eine Chance.

Pendler über Pendler und nur wenig Angebote

Ansätze gibt es jedenfalls auch in Bremen eine Menge: 60 Prozent der Erwerbstätigen in Bremen-Nord pendeln zum Beispiel. Genauso wie rund 10.000 Beschäftigte beim Daimler-Chrysler Werk. Mit dem Auto-Giganten im Bremer Osten wird derzeit noch zaghaft an einer Kooperation gebastelt, um den Bremer Osten vor dem Verkehrskollaps zu retten, so Professor Ulrich Mückenberg, der das Projekt für „Zeiten der Stadt“ mitbetreut. Alternativen wie speziell abgestimmte „Mobilitätsangebote“ wurden da bislang kaum angedacht.

„Das hängt wie ein Damokles-Schwert über uns“

Aber seit EU und Haushaltsengpässen weht auch für die BSAG in Bremen ein anderer Wind. Bis 2004, so wurde mit dem Senat vereinbart, müssen die Straßenbahner jedes Jahr rund 3,2 Millionen Euro einsparen. 16 Millionen Euro insgesamt. „Das hängt wie ein Damokles-Schwert über uns“, sagt Resch. Allein in diesem Jahr müss-ten 62 Vollzeitstellen eingespart werden. Zwar wird es keine Kündigungen geben, aber „wir müssen jetzt Altersteilzeit für Rationalisierungen nutzen“. Andernfalls schaffen sie die Einsparungen nicht. Und dann, fürchtet Resch, würde Tine Wischer ohnehin alles ausschreiben.

Dorothee Krumpipe