Europa sendet noch lange nicht

Zukunft des Satelliten-Navigators Galileo steht in den Sternen: Die Finanzierung ist unklar, und die USA fürchten, dass die EU sich eine militärische Machtposition aufbaut. Das teuerste EU-Projekt soll Europa auch als Hochtechnologiestandort stärken

Die USA fürchten eine Überlagerung ihrer eigenen militärischen Signale durch Galileo

von WOLFGANG GAST

Das geplante europäische Satelliten-Navigationssystem Galileo kommt nicht von der Stelle. Erst vertagten die EU-Verkehrsminister Ende Dezember den Aufbaubeschluss wegen ungeklärter Finanzierung. Und jetzt interveniert auch noch das US-Verteidigungsministerium aus militärischen Erwägungen.

Die Bundesregierung hat ein großes Interesse an dem neuen Satellitensystem, schließlich soll allein der Aufbau rund 20.000 Arbeitsplätze schaffen. Darüber hinaus wird der Weltmarkt für Galileo-Anwendungen auf 40 Milliarden Euro jährlich geschätzt. Daher befürwortete das Bundeskabinett im April 1999 die Pläne. Es erwartete, dass Europa mit Galileo unabhängig von den bestehenden, national kontrollierten Satelliten-Navigationssystemen GPS (USA) und Glonass (Russland) wird.

Im Rahmen des Galileo-Projekts soll ein Satellitennetz aus 30 künstlichen Himmelskörpern installiert werden, die die Erde umkreisen. Im Jahr 2008 soll das System, dessen Kosten auf etwa 3,5 Milliarden Euro geschätzt werden, in Betrieb genommen werden. Es ist das teuerste Einzelprojekt, das die EU bisher aufgelegt hat. Mit einer Genauigkeit von fünf bis zehn Metern sollen die Galileo-Satelliten präziser als das GPS-System den Standort von Autos, Schiffen und Flugzeugen rund um den Globus orten können. Die Anwendungsbereiche sind unzählig: Galileo kann in der Luft- und Schifffahrt oder in Autonavigationssystemen, aber auch zur Überwachung Gefangener eingesetzt werden. Viel versprechen sich die Galileo-Planer von der Kombination von Empfängern mit künftigen Internethandys.

Doch der Aufbau kommt nur zäh voran. Dem Online-Dienst „heise“ zufolge hapert es vor allem an der Finanzierung. Die Einbeziehung der Privatwirtschaft und der Streitkräfte war offenbar noch nicht ausgehandelt, als bei der Brüsseler Verkehrsminister-Ratstagung der Tagesordnungspunkt Galileo zurückgestellt wurde. Neben anderen hatte sich auch der deutsche Verkehrsminister Kurt Bodewig gegen einen sofortigen Einstieg in das Programm ausgesprochen: „Die deutsche Seite kann keinen Blankoscheck ausstellen. Wir können nicht öffentliche Gelder in Milliardenhöhe vorleisten, ohne dass eine angemessene private Beteiligung sichergestellt ist.“

Während man sich weitgehend einig darüber ist, dass der Markt für eine zivile Nutzung der Satellitennavigation weiter wachsen wird und dass eine politische Anschubförderung dieser Schlüsseltechnologie Europa als Standort für Hochtechnologie – ähnlich wie bei der Ariane-Rakete und dem Airbus – weiter etablieren würde, gibt es aber Auseinandersetzungen um die Bedeutung militärischer Überlegungen und Einflüsse. Bei einem Galileo-Workshop in Berlin drängten Industrievertreter auf eine rein zivile Ausrichtung des Projektes. Die Sicherheitspolitiker stellten aber die Unabhängigkeit einer künftigen europäischen Militärpolitik in den Vordergrund. Mit Galileo geht es also auch um eine militärisch-strategische Machtposition der EU gegenüber den USA. Damit passt das System in andere jüngere Entwicklungen, etwa den Aufbau einer europäischen Satellitenüberwachung oder strategischer Lufttransportkapazitäten.

Deshalb dürften auch die USA Vorbehalte angemeldet haben. Das geht aus einem Schreiben hervor, das der stellvertretende Verteidigungsminister Paul Wolfowitz an mehrere Kollegen geschickt hat, wie die spanische Zeitung El País berichtete. In dem Brief warnte Wolfowitz vor der Überlagerung militärischer Signale, die über das US-System GPS versendet werden. Es sei im Interesse der Nato, bei der Festlegung der Galileo-Signale solche Frequenzen auszuschließen, die derzeit dafür benutzt würden, betonte er. Das Interesse der Nato dürfte in diesem Fall in erster Linie das Interesse der USA sein.