das buch
: Muslime in Europa

Wer beeinflusst wen?

Die Rolle von Muslimen in westlichen Gesellschaften wird in den Medien derzeit heftig diskutiert. Immer wieder tauchen dieselben Fragen auf: Schotten sich muslimische Gemeinschaften ab? Sind Islam und Demokratie kompatibel? Antworten gibt der von Thomas Hartmann und Margret Krannich herausgegebene Band mit dem Titel „Muslime im säkularen Rechtsstaat. Neue Akteure in Kultur und Politik“, der eine Veranstaltungsreihe der Heinrich-Böll-Stiftung dokumentiert.

Als Ausgangsperspektive gilt die Feststellung, dass Muslime längst zu einem integralen Bestandteil europäischer Gesellschaften geworden sind. Einigkeit herrscht bei den Autoren der Artikel über Deutschland, Holland, Großbritannien und Frankreich darüber, dass sich dadurch die „Aufnahmegesellschaften“ verändern. Dies wirft die zentrale Frage auf, ob sich das Verhältnis zwischen Religion, Gesellschaft und Staat mit dem Wachsen muslimischer Gemeinschaften in Europa neu definiere, und wenn ja, in welcher Weise.

Thema des ersten Teils sind die Lebenswelten von Muslimen in Europa. Was häufig in essenzialistischer Manier unter dem Schlagwort „Islam“ als monolithischer Block wahrgenommen wird, entfaltet sich bei genauerer Betrachtung als eine Vielfalt religiöser Praktiken und gesellschaftlicher Auffassungen. So wird die in Deutschland und den Niederlanden emotional geführte Kopftuchdebatte entlarvt als „Metapher für Spannungen und Spaltungen in der multikulturellen Gesellschaft“. Das Kopftuch demonstriere nicht nur eine Position zum Geschlechterverhältnis, sondern stelle selbstbewusst Religiosität zur Schau. Damit provoziere es die weit verbreitete Ansicht, in der deutschen Gesellschaft habe sich die Öffentlichkeit von Religion überlebt.

Die Beiträge aus Großbritannien und Frankreich befassen sich unter anderem mit der Frage, ob die Integration von Muslimen in Europa die Schaffung eines „europäischen Islams“ erfordere. Allmählich, so der Autor, wachse die Einsicht, dass Europa nicht mehr allein aus einer christlich-jüdischen Tradition heraus betrachtet werden kann, sondern eine islamische Tradition mit einschließt.

Mit seiner vergleichenden Perspektive trägt der Band erfolgreich zu einem Blick über den deutschen Tellerrand bei. Kontroverse Ansichten zu Themen wie Islamismus und die Grenzen des kulturellen Dialogs werden nicht tabuisiert, sondern in einem extra Anhang nebeneinandergestellt. LAYLA AL-ZUBAIDI

Thomas Hartmann / Margret Krannich (Hrsg.): „Muslime im säkularen Rechtsstaat. Neue Akteure in Kultur und Politik“. Das Arabische Buch, Berlin 2001, 125 Seiten; 10,00 €