Einmal kein Mann sein

■ „wo/man“: Auf dem 7. Bremer Symposium zum Film geht es um sich verändernde Geschlechterrollen im Kino

In Deutschland wird viel zu wenig über den Film nachgedacht! Man braucht nur in Großbritannien, Frankreich oder den USA in eine Buchhandlung zu gehen, um den Unterschied zu bemerken: Dort sind filmtheoretische und filmhistorische Werke sowie ernsthafte Mono- und Biographien ganz selbstverständlich im Sortiment, während es in unseren Läden fast nur „Das Buch zum Film“ gibt – vorausgesetzt, der Film ist ein Kassenschlager. Auch an den Universitäten und Hochschulen wird andernorts viel mehr Gewicht auf die jüngste und teuerste der Künste gelegt – um so erfreulicher ist es, wenn in Bremen nun schon das 7. Internationale Symposium zum Film stattfindet, veranstaltet vom Medienzentrum Walle und der hiesigen Unversität, dieses Jahr auch mitfinanziert von der „nordmedia“.

In den letzten Jahren wurden im Kino 46 unter Titeln wie „Erlebniswelt Kino“, „Motion/Emotion“ oder „Stars“ Vorträge von Film- und Medienwissenschaftlern aus dem In- und Ausland gehalten, zu denen dann die jeweils angesprochenen Filme gezeigt wurden. Das Besondere an diesem Symposium ist, dass es nicht den Charakter einer akademischen Fachtagung annimmt, sondern mit seiner Mischung aus Information und Unterhaltung auch für ein breiteres Publikum attraktiv bleibt.

Bereits in den letzten Jahren war ein verdecktes Grundthema der Vorträge und Diskussionen die Beschäftigung mit den Genderstudies – es war an der Zeit, diese Problematik in den Mittelpunkt zu stellen. Inwieweit lernen wir unsere Rollen als Frauen und Männer im Kino und vor dem Fernseher? Sind die Geschlechterrollen im Umbruch, und wird dies in den aktuellen Mainstreamfilmen dokumentiert, durch sie verstärkt oder unterminiert? Oder gibt es gerade eine konservative Gegenreaktion auf die Bilder von starken Frauen und schwachen Männern, die in den 90ern die Leinwände beherrschten?

Zwischen dem 17. und dem 22. Januar werden neun Referenten ihre Vorträge halten und dazu insgesamt elf Filme zeigen. Stammgast und Star (bei seinen Vorträgen wird es immer voll) des Symposiums ist der Filmpublizist, Theaterwissenschaftler und taz-Autor Georg Seeßlen, der am Freitag einen Vortrag hält zum Thema „Sex und Crime-Mythologien im modernen Film“. Die Züricher Literaturprofessorin und taz-Autorin Elisabeth Bronfen machte vor einiger Zeit auf sich aufmerksam, indem sie den Philosophen Nietzsche mit dem Hollywoodfilm „Gladiator“ zusammenbrachte. Am Sonntag um 14.30 Uhr befasst sie sich mit der „Krise der Männlichkeit im amerikanischen Kino der 90er Jahre“.

In den USA gab es „Fight Club“, bei uns gab es „Der bewegte Mann“ – über die „Geschlechterrollen in deutschen Beziehungskomödien der 90er Jahre“ spricht der ehemalige Staatsanwalt und Schliegensief- und Lars von Trier-Darsteller Dietrich Kuhlbrodt.

Spanisch mit englischen Untertiteln werden Pedro Almodóvars „Pepi, Lucim Bom Yotras del montn“ und „Mujeres al borde de un ataque de nervios“ gezeigt. Der dazugehörige Vortrag des Almodóvar-Spezialisten Josep Lluis Fecé Gómez kommt am Freitag um 18 Uhr, dazu gibt es dann deutsche Untertitel.

Eva Warth spricht am Freitag um 16 Uhr über „Gender und Blickstruktur im Kino der 90er Jahre“, der Kanadier Robin Curtis untersucht am Samstag um 13.30 Uhr die Rolle des Geschlechts in „Autobiographischen Werken der Filmavantgarde“, anschließend (16.30 Uhr) verhandelt der Engländer Richard Dyer „White Masculinity and Serial Killing“. Am Sonntag um 13 Uhr hat Thomas Koebner das Thema „Cross-Dressing im Gegenwartskino“ im Visier. Am aktuellesten aber wird der Vortrag von Jens Thiele (Universität Oldenburg) sein, der anhand von „Billy Elliot“ und „Girl Fight“ zeigt, wie unspektakulär Geschlechterrollen in diesen Filmen aufgebrochen werden. Mehr Aufhebens vom Ausbruch machte man da noch 1919: Ernst Lubitsch machte aus dem Problem auch gleich den Titel: „Ich möchte kein Mann sein“. Ein stiller Schrei gegen die Normen: Lubitschs Cross-Dressing-Komödie ist ein Stummfilm. Zu sehen am Samstag, um 20.30 Uhr.

Wilfried Hippen

Die einzelnen Filme und ihre Spieltermine stehen am Donnerstag in der Kinotaz und sind im Internet unter www.kino46.de zu finden