hemingway, meer etc.
: Gregorio Fuentes ist tot

Der alte Mann

Fast unbeweglich saß er im Schaukelstuhl in seinem Wohnzimmer mit Blick auf die Straße in dem Fischerort Cojimar bei Havanna. Auf dem Kopf eine ausgebleichte grüne Schildmütze, auf die sein Name „Gregorio Fuentes“ gestickt war, im Mundwinkel eine zerkaute Zigarre, die immer ausging und für die er um Feuer bat. Hinter ihm hing ein kitschiges Gemälde. Darauf kämpfte die „Pilar“, mit der er gemeinsam mit Ernest Hemingway in den Golfstrom zum Fischen rausfuhr, gegen die Wellen an. „Ich habe keine Probleme. Das Einzige, was mir fehlt, sind Dollars, um Medikamente zu kaufen“, sagte er damals und ließ sich die halbe Stunde Interview mit fünfzig Dollar vergüten.

Das war vor zwei Jahren. Gregorio Fuentes, der Kapitän Hemingways, ist am Sonntag in Kuba im Alter von 104 Jahren gestorben. Die „Pilar“ steht schon lange im Museum. Seit über vierzig Jahren ist Fuentes nicht mehr zur See gefahren. An dem Tag, als ihn die Nachricht vom Tode Hemingways erreichte, schwor er sich, es nie wieder zu tun.

Hemingway und Gregorio Fuentes haben sich 1932 in Cayo Tortuga kennen gelernt. Fuentes rettete den Schriftsteller aus Seenot und heuerte danach bei ihm als Kapitän an. Auf einer ihrer Touren soll Hemingway auf die Idee für „Der alte Mann und das Meer“ gekommen sein. Den Titel will Fuentes beigesteuert haben.

Und das kam so: Eines Tages entdeckten Hemingway und Fuentes vor der Küste ein Boot, in dem ein alter Mann und ein Junge fischten. Plötzlich wurde der Alte furchtbar wütend und brüllte Hemingway an. „Das muss ihm ordentlich Eindruck gemacht haben, und später sagte er zu mir, er wolle darüber eine Geschichte schreiben“, so Fuentes, der gerne Seemannsgarn spann. Nur was für einen Titel einer solchen Geschichte geben? „Da sagte ich ihm: ‚Haben wir nicht einen Alten getroffen? Und war der nicht mitten im Meer? Na bitte, da haben wir schon den Namen der Geschichte.‘“ INGO MALCHER