„Ein richtiger Mann“

betr. „Stoiber ist kein Bajuware“, taz vom 13. 1. 02

Bislang war Edmund Stoiber ein Bayer und da unten für den Rest des Landes halbwegs zu ertragen. Schlimm genug.

Jetzt will er sich institutionalisieren. Und so traurig es ist: Dass Rechtspopulist Stoiber und kein anderer um den Kanzlerposten kämpfen wird, ist einzig die logische Konsequenz aus Schröders Neuer Mitte. [. . .] Wer ein eigenes Politikfeld abstecken will, muss sich eine Identität schaffen – und in der Mitte schafft die CDU das gegen Schröders Wischiwaschi-Konsenskurs wohl kaum. Dass Merkel dazu zu lieb ist, leuchtet ein.

Was Stoiber zum Kanzlerkandidaten zu qualifizieren scheint, ist sein bedenkliches Profil: deutlich, konservativ, extrem – eben ein richtiger Mann. Ein Mann klarer Worte, wie wir es lange nicht mehr hatten. Ein Extremum. [. . .] Um nicht alles zu verlieren, konnte die CDU nur nach rechts rutschen – später wird Schill dort schon auf sie warten.

Das Gefährliche an dieser Bewegung ist ihre Latenz. Denn auch 2002 wird der Wahlkampf wieder geprägt sein von Tiraden des Fremdenhasses – immer genau eine Stufe unter dem, wasa wir gerade noch hinnehmen (werden). Wir wandern schnurstracks auf die institutionalisierte Fremdenangst zu. Und später auf den Fremdenhass. Es wird normal, dass Schill und Stoiber ihre radikalen Parolen öffentlich formulieren dürfen, sie sind mittlerweile schon Alternative für viele, die nicht mehr Wischiwaschi wollen. Und das alles, weil die Sozialdemokraten sich zu gut für ihre alte Aufgabe geworden sind und den Markt aufmischen.

Genau an dieser Stelle frage ich mich, ob nicht vielleicht doch das abgehakte Rechts-links-Schema etwas „sicherer“ wäre. Dann wäre ein Brauner nämlich braun. Und nicht normal.

MARTIN KAUL, Gevelsberg

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.