Kapriolen an der Strombörse

Preissteigerungen bis zu 2.500 Prozent. Energiehändler fordern Zugriff auf Daten

FREIBURG taz ■ Ein rätselhaftes Ereignis an den Strombörsen in Frankfurt und Leipzig beschäftigt in diesen Wochen die Stromwirtschaft: Am 17. und 18. Dezember war der Preis einer Kilowattstunde Strom am kurzfristigen Spotmarkt um bis zu 2.500 Prozent auf einen Euro emporgeschnellt. Im außerbörslichen Handel explodierte der Preis in jenen Tagen sogar kurzzeitig auf bis zu zwei Euro – statt der normalen 2,5 bis 4 Euro-Cent.

„Zu dem Preis hätten wir auch Strom mit einem Fahrrad-Dynamo erzeugen können“, heißt es unter Marktbeobachtern, die derzeit dabei sind, die bislang einmaligen Vorfälle aufzuarbeiten. Denn eines ist sicher: Mangel an Strom kann nicht der Auslöser gewesen sein: Europaweit sitzen die Stromkonzerne auf beachtlichen Überkapazitäten.

Die Händler erschreckt die Tatsache, dass es keine plausible Erklärung für diese Preiskapriolen gibt – zumindest nicht anhand der Daten, die den Händlern zur Verfügung stehen. Und darin liegt nun das Problem: Der Markt ist alles andere als transparent. „Wir haben keine Chance, die Preissprünge zu analysieren, weil wir die notwendigen Marktdaten nicht haben“, klagt Roland Hartung, Vorstandssprecher der Mannheimer MVV Energie AG.

Sein Unternehmen, siebtgrößter Stromversorger der Republik, zeigt nun die Defizite der Liberalisierung des deutschen Strommarktes auf. „In Skandinavien, Spanien, Italien, ja selbst in Frankreich bekommt jeder Marktteilnehmer die aktuellen Daten von Stromangebot und Nachfrage im nationalen Netz in Echtzeit zur Verfügung gestellt“, sagt Hartung. Nur in Deutschland nicht. So verfügen zwar die großen Verbundunternehmen, allen voran RWE und Eon, über die notwendigen Marktdaten, da sich die Daten ihnen zwangsläufig erschließen; denn jedes Kraftwerk und jeder Verbraucher hängt schließlich an ihrem Netz. Kleinere Stromhändler erhalten die Daten aber nicht.

Daher fordert das Mannheimer Unternehmen nun das Einschreiten des Gesetzgebers. Hartung: „Wir brauchen eine gesetzlich abgesicherte Transparenz im Strommarkt durch Pflichtveröffentlichungen.“ Importe, Exporte und Lastdaten des deutschen Netzes müssten jedem Marktteilnehmer zur Verfügung gestellt werden, ebenso wie Informationen über die Verfügbarkeit jedes einzelnen Großkraftwerkes sowie geplante und ungeplante Stilllegungen.

Dass diese Transparenz machbar ist, beweisen die skandinavischen Länder, die ihren Strommarkt im Nordpool zusammengefasst haben. Sogar im Internet sind die aktuellen Marktdaten verfügbar – alle Händler können also auf gleicher Datenbasis operieren, was einen korrekten Markt auszeichnet. Die MVV Energie AG haben die Preissprünge einen Verlust „im unteren sechsstelligen Bereich“ gekostet. Solange der Markt nicht richtig funktioniere, fürchtet Hartung, könne sich ein solches Chaos jederzeit wiederholen – und irgendwann auch auf die Endverbraucherpreise durchschlagen.

BERNWARD JANZING