: „Ich habe deine Frau erledigt“
Die Beweislast gegen den früheren Brandenburger Bauminister Jochen Wolf ist erdrückend. Ein Video dokumentiert sein Treffen mit einem vermeintlichen Auftragskiller, der Wolfs Frau töten sollte
von KIRSTEN KÜPPERS
Der zweite Verhandlungstag beginnt mit einem hellen Sirren. Das Geräusch kommt aus dem Fernsehgerät, den der Gerichtsdiener im Saal aufgestellt hat. Das Video auf dem Bildschirm läuft ohne Ton, die Bilder sind nicht besonders deutlich: zwei Männer treffen sich in einer Bahnhofshalle. Der Film ist unspektakulär, er hört auf wie er begonnen hat: mit dem Pfeifen des Apparats.
So leise geht eine verhängnisvolle Geschichte zu Ende, eine Tragödie um Liebe, Geld, Lüge und Verbrechen. Der scheinbar unaufhaltsame Abstieg eines Politikers. Das 20-minütige Polizeivideo zeigt das Treffen des ehemaligen Brandenburger Bauministers Jochen Wolf mit einem vermeintlichen Auftragskiller am 27. Juli vergangenen Jahres im Berliner Bahnhof Zoo; Wolf wurde im Anschluss an das Treffen verhaftet.
Jetzt, sechs Monate später, hat am Potsdamer Landgericht der Prozess gegen den früheren Minister begonnen. Angeklagt ist der 60-Jährige wegen versuchter Anstiftung zum Mord an seiner Frau in zwei Fällen. Ihm droht eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren. Bisher hat Jochen Wolf zu den Vorwürfen geschwiegen. Er hat mit starrem Blick aus seiner gelb getönten Brille auf einen imaginären Fluchtpunkt gesehen, das bärtige Gesicht für alle Interpretationen von außen verschlossen. Nun rollt das Gericht mit dem Vorführen der Videobänder die Geschichte von hinten auf, auch Tonbandaufnahmen wurden gestern gehört. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft stützen sie die Anklage in vollem Umfang.
Demnach hat Wolf dem vermeintlichen Komplizen Ralfi S., einem Stahlbauschlosser und Fremdenlegionär aus Wuppertal, 15.000 Mark für den Mord an seiner Ehefrau Ursula versprochen. Ralfi S. wechselte indes schnell die Seiten. Er verriet Wolf an die Polizei. Am Telefon belog er seinen Auftraggeber: „Hör zu, ich habe Deine Frau erledigt“, ein fingiertes Treffen für die Geldübergabe wurde arrangiert. Die mitgeschnittenen Tonbänder verraten, dass Wolf damals Beweise verlangte: „Wenn eine offizielle Bestätigung vorliegt, dann zahle ich“. Bei seiner Vernehmung nach der Festnahme hat Jochen Wolf gestanden, den Mordauftrag erteilt zu haben.
Die langwierige Scheidung von seiner Frau habe ihn sehr belastet, soll der Exminister damals als Motiv für die Tat angeführt haben. Es wird zudem vermutet, dass Wolf Rache an seiner Frau nehmen wollte. Er gab ihr die Schuld am Tod seiner ukrainischen Geliebten, will ein Freund von Wolf wissen. Die hübsche Dolmetscherin Oksana K. hatte sich 1998 erschossen. Kurz zuvor soll sie Wolfs Ehefrau beim Joggen aufgelauert, mit einer Waffe bedroht und zur Scheidung gedrängt haben. Ursula Wolf hatte damals Anzeige gegen die 25-Jährige erstattet. Oxana K. brachte sich daraufhin mit Wolfs Sportpistole in der Badewanne der gemeinsamen Wohnung um. „Seitdem glaubt er, ich habe ihm sein liebstes Spielzeug genommen“, sagte Ursula Wolf dazu in einem Interview.
In Wahrheit scheint es, als sei das Leben von Jochen Wolf nach einem glänzenden Karrierestart in der Politik plötzlich in einen fatalen Abwärtsstrudel geraten, der ihn immer weiter ins Bodenlose gezogen hat. Als Mitbegründer der brandenburgischen SPD begann Wolf ab 1990 in der ersten Landesregierung als Bauminister mit Ambitionen auf den Posten des Regierungschefs. Als 1992 Stasi-Vorwürfe gegen Landesvater Manfred Stolpe laut wurden, brachte er sich selbst als Kandidat ins Gespräch. Vergebens. Wegen eines Immobilienskandals musste Wolf 1993 zurücktreten. Danach war er im brandenburgischen Wirtschaftsministerium für Kontakte nach Osteuropa zuständig. Seit Juli vergangenen Jahres sitzt Wolf in Untersuchungshaft, im August hat er einen Suizidversuch unternommen. Im Gerichtsaal verweigert er bisher jede Aussage, konzentriert sich auf einen starren Blick, das stille Ende einer Geschichte, der Anwalt hat ihm zum Schweigen geraten. Für den morgigen Prozesstag ist der Zeuge Ralfi M. geladen.
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