„Liberalisierung auf Deutsch“

Kartellamt entscheidet diese Woche über Fusion des Stromkonzerns Eon mit der Ruhrgas AG. Verband Kommunaler Unternehmen warnt vor steigenden Preisen

taz: Das Bundeskartellamt entscheidet diese Woche über die Fusion von Eon mit der Ruhrgas AG. Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) wehrt sich gegen diese Pläne. Warum?

Eberhard Walter: Auf dem deutschen Strommarkt haben wir heute noch drei große Energieriesen. Das bedeutet: Schon jetzt gibt es eine Oligopolsituation, der Markt wird von wenigen Akteuren bestimmt. Jetzt will erstmals ein Stromoligopol ein Gasunternehmen – und zwar das bedeutendste in Deutschland – kaufen. Das ist eine völlig neue Qualität. Der Substitutionswettbewerb zwischen Gas und Strom wird ausgeschaltet. Nach der Fusion kontrolliert Eon über siebzig Prozent des Marktes.

Was bedeutet das für den Verbraucher?

Ganz sicher Einheitspreise statt Wettbewerb. Wie so etwas aussieht, kann man an Deutschlands Tankstellen beobachten, wo die Preise bei allen gleichzeitig um Zehntelcent ansteigen oder fallen. Der Strompreis, den der Verbraucher zahlen muss, hängt auch vom Einkaufspreis des Rohstoffes ab. Hinter der Fusion steckt aber noch mehr: Das einzige noch funktionierende Gegengewicht zu den Oligopolisten wird geschwächt: die dezentralen Strukturen der Stadtwerke.

Wie das?

Eon ist über seine Münchner Tochter Thüga an über einhundertzwanzig Stadtwerken beteiligt; und auch Ruhrgas hat unzählige Stadtwerkeanteile. Wenn jetzt beide fusionieren, bedeutet das für etliche Stadtwerke quasi eine Übernahme – und damit weniger Wettbewerb. Alles, was bisher über Liberalisierung des Strommarktes geredet wurde, wird durch diese Fusion konterkariert.

Am 23. Januar wird das Kartellamt dem Bundestags-Wirtschaftsausschuss sein abschließendes Veto erläutern. Was fordern Sie von der Politik?

Wenn der Fusion überhaupt zugestimmt werden kann, dann nur unter harten Auflagen: Die Thüga muss unternehmerisch selbstständig sein. Noch besser: Eon und Ruhrgas trennen sich von ihren Stadtwerkeanteilen.

Haben Sie von Politikern entsprechende Signale erhalten?

Der VKU hat dem Bundeskartellamt seine Bedenken mitgeteilt. Pikant daran ist: Bundeswirtschaftsminister Werner Müller hat die Entwicklung schon in relativ frühem Stadium gutgeheißen. Das kann ich mir bei seinen Berufsplänen gut vorstellen: Durch die Presse ging, dass er nach der Bundestagswahl in die Eon-Konzernspitze wechselt.

Die Fusion sei Konsequenz der Liberalisierung, argumentieren die Befürworter …

Die Politik schob die Liberalisierung mit schlechten Startbedingungen an. Weil sie dann nicht eingriff, stecken wir heute in der Sackgasse: Der Versuch des Plattmachens der Konkurrenz ist Liberalisierung auf Deutsch.

INTERVIEW: NICK REIMER