Am Anfang stand ein altes Foto der Gebrüder Wolf

■ Ulrich Waller lässt an den Kammerspielen ein lange vergessenes Gesangsduo wieder aufleben

Das Lied vom „Jung mit dem Tüdelband“ ist in Hamburg allgemein bekannt. Doch wer kennt die Gebrüder Wolf? Sie haben das Lied 1911 für eine Revue auf der Reeperbahn geschrieben. Nach 1933 konnten die jüdischen Künstler nicht mehr in Deutschland auftreten. Sie gerieten in Vergessenheit. Im November letzten Jahres war ihnen eine Ausstellung im Hamburger Rathaus gewidmet.

Schon vorher war der Chef der Kammerspiele, Ulrich Waller, durch ein Foto auf die beiden aufmerksam geworden. Auch er begab sich auf die Spurensuche. Beim Durchstöbern des Nachlasses im Museum für Hamburgische Geschichte fand er Notenblätter und handgeschriebene Kladden mit Entwürfen von Sketchen. Aus dem Material hat er eine „Hamburg Revue“ gemacht. Am Freitag hat Die Jungs mit dem Tüdelband – Die Gebrüder Wolf-Story in den Kammerspielen Premiere.

Die Gebrüder Wolf waren im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts bekannt: „Berühmt wie heute Otto“, meint Waller. Die am Großneumarkt aufgewachsenen Söhne eines Schlachters formierten sich erst zu einem Trio. Dann stieg ein Bruder aus: Übrig blieben Ludwig und Leopold Isaac, die sich den Künstlernamen Wolf zulegten. Am Spielbudenplatz hatten sie ihren Durchbruch in der Revue Rund um die Alster. Darin traten sie als Hamburger Jungs aus dem Hafen auf. Sie machten Schallplattenaufnahmen und spielten im Film Glückspilze mit, von dem leider keine Kopie mehr aufzutreiben ist. Nach 1933 wurden sie mit einem Auftrittsverbot belegt. Leopold starb, Ludwig überlebte das Dritte Reich dank der „arischen“ Abstammung seiner Ehefrau. Der ausgestiegene dritte Bruder wurde in Theresienstadt ermordet. Selbst der Name der Gebrüder Wolf wurde in der Musikwelt der damaligen Zeit unterdrückt. Mit der Arisierung der Verlage sei jeder Hinweis auf ihre Autorenschaft verschwunden, berichtet Waller. „Sie durften ihre eigenen Lieder nicht mehr singen, weil die als deutsches Liedgut galten.“ Doch die Neffen des Gesangsduos machten unter gleichem Namen weiter: Zuerst in Shanghai, wohin sie 1939 emigriert waren, später in den USA. Dort lebt heute ein Enkel von ihnen, ebenfalls als Musiker. „Das Projekt ist eine Spurensuche nach den Wurzeln der deutschen Unterhaltungskultur“, beschreibt Theaterchef Waller sein Anliegen. Er beklagt das Plattmachen dieser Kultur durch die Nazis. Eine Folge sei, dass heute Veranstaltungen wie der Musikantenstadl die populäre Unterhaltung dominierten.

An den Kammerspielen wird nun die Wolf'sche Aufführungspraxis wieder hervorgeholt. Lieder wechseln mit Sketchen. Die Schauspieler Peter Franke und Gerhard Garbers verkörpern die „Gesangshumoristen“. Begleitet werden sie von einer vierköpfigen Band unter der Leitung von Gerd Bellmann. Gespielt wird ohne Verstärker, also mit den Mitteln des beginnenden 20. Jahrhunderts. Waller sieht gerade in der Konfrontation mit den Originaltexten den Reiz des Unternehmens. „Wir haben nicht zwanghaft aktualisiert.“ Er vertraut auf die Frische der Texte. Christian Rubinstein

Premiere 18. Januar, 20 Uhr, Kammerspiele.