Erst „Dallas“, dann duster

Fun oder Debatte: Das Literaturforum im Brecht-Haus diskutiert die „Amerikabilder“ in der DDR

von JANA SITTNICK

Das sollte keine Party werden. Schließlich hätten „Jokemacher heute Konjunktur“, stellt Therese Hörnigk fest. Denkt die Leiterin des Literaturforums im Brecht-Haus an die Popliteraten, an Stefan Raab, an die Verona-Jenny-Naddel-Allianz oder an die allgegenwärtige „Friseurisierung“ unserer Debattenkultur? Von ihrem strengen Gesicht kann man die Antwort nicht ablesen, wohl aber den unbedingten Wunsch nach tiefgründiger Auseinandersetzung.

Im Literaturforum, das nicht gerade für seinen Fun-Faktor berühmt ist, begann am Dienstagabend ein Symposium mit dem Titel „Jeans, Rock und Vietnam – amerikanische Kultur in der DDR“. An drei Abenden untersuchen (ost)deutsche und amerikanische Geisteswissenschaftler, wie das, was in der DDR als „amerikanisch“ ankam, rezipiert, reflektiert und ideologisiert wurde. Dass diese Prozesse auf verschiedenen Ebenen stattfanden und von sozialen Gruppen abhingen, stellt Erstredner Rainer Schnoor, Amerika-Kulturhistoriker von der Universität Potsdam, gleich zu Beginn fest.

Nach dem Bau der Berliner Mauer, so Schnoor, fand jegliche USA-Erfahrung nur noch durch mediale Vermittlung statt. Vorher konnten die Menschen aus der „Zone“ in West-Berlin Hollywood-Filme sehen, „Lucky Strike“ rauchen und Coca-Cola trinken. Später hörten sie Radiosender wie „Radio Luxemburg“ und „AFN“, sahen „Westfernsehen“, und nahmen den amerikanischen Lebensstil als Rock ’n’ Roll und blinkende Warenbild wahr. Dagegen wurde von staatlicher Seite gekämpft: Die USA stellte man offiziell gern als „imperialistisches Bollwerk“, als ausbeuterisches, parasitäres und menschenverachtendes System dar. Zugleich forderte man schon im Kindergarten Solidarität mit den „Schwarzen“ und den Kommunisten.

Die Leute im voll besetzten Vortragsraum im Brecht-Haus nicken, eine Frau sagt des Öfteren halblaut „so isses“. Die Stimmung erinnert an akademische Gedenkveranstaltungen, bei denen sich die Teilnehmer über ein Commitment verständigen. Im Grunde teilen die Zuhörer die Position der Vortragenden – man ist unter sich. Von Debatte keine Spur, dafür wird es aber noch lustig. Schnoor sagt zum Schluss, dass man immer genau wusste, wann die TV-Serien „Dallas“ und „Dynastie“ endeten. „Danach gingen in den Hochhäusern ringsum die Lichter aus.“

Die Ethnologin Ina Merkel verweist auf die Bedeutung der amerikanischen Subkultur der 60er-Jahre. Für die DDR-Youngsters war das „Amerikanische“ wild, sexy und frei, ein „hedonistisches friedvolles Müßiggängertum“ der Hippies, das sich, wie in Westeuropa, gegen die „protestantische Ethik“ des Diszipliniert-Pünktlichen richtete. Nicht Wall Street, sondern Woodstock. Alte Fotos der Band „Pankow“ wirft DDR-Pop-Papst Peter Wicke, Professor für populäre Musik an der HU Berlin, an die Wand. 1983 spielten „Pankow“ ihren kessen New-Wave-Song „Rock ’n’ Roll im Stadtpark“, der zur Hymne wurde. Wicke meint, die hedonistische Improvisation, die mit geringsten Mitteln größten Spaß erzielt, das Feiern im Park, war sehr wirkungsvoll, weil man sich so dem kontrollierenden Zugriff durch die Obrigkeiten partiell entziehen konnte. So war es. Gute alte wilde Zeit.

Noch heute, 20 Uhr, Brecht-Haus, Chausseestraße 129, Mitte