Vegesack wartet auf den großen Wurf

■ Das Vegesacker Kaufhaus Kramer schließt Ende Mai. Jetzt sucht die Nordbremer City nach einem neuen Innenstadtkonzept – als Gegenpol zum „Haven Höövt“, das demnächst seine Pforten öffnet. Die Debatte um den Sedanplatz ist neu entbrannt

Grau hängt der Himmel über dem Sedanplatz – und das Zentrum Vegesacks wird noch grauer werden. Denn das Kaufhaus Kramer, Vegesacks ureigenes Shopping-Center am Sedanplatz macht dicht. Ende Mai, so kündigte Chef Thomas Kramer in der Nordbremer City an, ist Schluss mit der bunten Warenwelt – nach 25 Jahren. Was bleibt, ist ein leeres Haus – und ein öder Platz.

70 Leute setzt der Kaufhausinhaber auf die Straße. „Das kam nicht ganz plötzlich“, sagt Betriebsrätin Ingrid Netzmann gefasst. Der Streit mit dem Eigentümer des heruntergekommenen Warenhauses, der nicht renovieren wollte, schwele seit langem.

Das Gros der Beschäftigten – überwiegend Frauen – ist bereits um die 50 Jahre als. „Die werden nur schwer wieder eine Stelle finden“, klagt Richard Schmid von der Gewerkschaft Verdi. Nicht nur die verlorenen Arbeitsplätze machen ihm zu schaffen: „Da stirbt ein Stück Vegesack.“ Auch Ortsamtsleiter Reiner Kammeyer ist alarmiert: Bei 200 Einzelhandelsgeschäften gibt es bereits zehn Leerstände – „Tendenz steigend“.

Seit der Rückzugs-Ankündigung von Kramer ist auch die Diskussion um die Gestaltung von Vegesacks zentralem Platz wieder in vollem Gange. Die Vegesacker Einkaufsmeile, davon sind viele überzeugt, verliere seit Jahren an Attraktivität. Schuld sei unter anderem die Politik, sagt Kramer. Die habe sich seit zehn Jahren nicht auf eine Lösung für den Umbau des Sedanplatzes einigen können. Kramer: „Außer dass hier Läden geschlossen haben, ist nichts passiert.“

Christof Steuer, Chef des Bauamts Bremen-Nord, kann eine ganze Latte von Vorschlägen aufzählen, die bereits zur Debatte standen – von der Teilüberdachung des Platzes bis hin zum Symbolon, einem geplanten Museum für fantastische Kunst. Doch die Vegesacker wollten nicht. „Das war denen entweder zu hausbacken oder zu modern.“ Steuer nimmt auch die Händler vor Ort nicht von der Kritik aus. Ihm fehlt hier Engagement für Neues.

„Dem widerspreche ich nicht grundsätzlich“, gibt die Geschäftsführerin des Einzelhandelsverbandes City-Marketing Vegesack zu. Dabei sind sich Beirat, Bauamt und Einzelhändler seit langem einig, dass die Attraktivität der Einkaufsmeile im Vegesacker Ortskern gestärkt werden müsse.

Dies gelte insbesondere im Hinblick auf das große Einkaufzentrum „Haven Höövt“, das im nächsten Jahr am Vegesacker Hafen seine Pforten öffnet. Ortsamtschef Kammeyer: „Wir brauchen einen zweiten Anziehungspunkt oben in der Stadt, um vom Kundenstrom unten am Hafen zu profitieren.“ Nur wie der aussehen soll, ist weiterhin strittig. Die Planungen, sagt Steuer, „dümpeln mehr oder weniger vor sich hin.“

Was das Kaufhaus-Gebäude angeht, hofften Bauamt und auch der Beirat noch bis vor kurzem auf die Mengler Kommunal- und Gewerbebau Hamburg KG. Die plante nach Angaben Thomas Kramers, den maroden Bau zu kaufen, abzureißen und dort ein neues Kaufhaus zu errichten. 15 bis 20 Millionen Euro hätte das gekostet – zuviel, fand Mengler. Kramer: „Die Standortbedingungen reichen dafür nicht aus.“ Nun herrscht Ratlosigkeit. Bauamts-Chef Steuer gibt zu: „Wir stehen genauso dumm da wie vorher.“

Rettung soll nun aus Bremen kommen. Geht es nach dem Ortsamtschef, soll die Bremer Wirtschaftsförderung GmbH (WfG) sich des Vegesacker Innenstadt-Problems annehmen und als Projektentwickler auftreten. Auch über einen möglichen Kauf des maroden Kramer-Baus durch die Stadt hat Kammeyer bereits nachgedacht. Im Rückzug von Kramer wittert er sogar eine Chance: „Vielleicht geht der Eigentümer der Immobilie am Sedanplatz jetzt mit dem Preis runter.“ Auch die anderen Vermieter in der Innenstadt müssten überlegen, ob 35 Euro Miete für den Quadratmeter noch angemessen seien.

Im Augenblick bleibt den Vegesackern allerdings nur eins: warten, dass Schluss ist mit der ewigen Streiterei über die Zukunft des Sedanplatzes. Ortsamtsleiter Kammeyer spricht für alle: „Wir brauchen jetzt den großen Wurf.“ hoi