Mumm gegen große Tiere

Rainer Schüttler schafft es ebenso wie Thomas Haas und Marlene Weingärtner in die dritte Runde der Australian Open, die nach Meinung von Pete Sampras in diesem Jahr ein „bizarres Turnier“ sind

aus Melbourne DORIS HENKEL

Der eine spielte, als hätte es das ganze unsägliche Theater der vergangenen Tage nicht gegeben, der andere gewann eine Partie, die bei blauem Himmel begann und die erst zu Ende war, als nur noch ein dunkelvioletter Streifen am Firmament zu sehen war und eine Wolke so groß wie ein riesiges Tier. Jeder gewann für sich, Thomas Haas gegen den Franzosen Jean-François Bachelot (6:1, 6:2, 6:3) und Rainer Schüttler gegen den Spanier Carlos Moya (3:6, 6:7, 6:1, 7:6, 6:2), aber zusammen genommen war dies einer der besseren Tage des deutschen Tennis in letzter Zeit.

Immer mal wieder ist Rainer Schüttler (25) vorgeworfen worden, wenn es hart auf hart komme, fehle ihm der Mumm, doch an diesem Abend hätte der Mumm gereicht, um das große Tier vom Himmel zu vertreiben. Er steckte einen völlig missratenen Start, den damit verbundenen Frust und in der Folge einen 0:2-Satzrückstand weg und spielte danach besser und besser.

Da war kein Leistungsunterschied zwischen Schüttler, Ranglisten-Position 41 und als bestes Ergebnis bei einem Grand-Slam-Turnier bisher Runde vier in Melbourne im vergangenen Jahr, und Carlos Moya, der schon mal zwei Wochen lang die Nummer eins des Tennis gewesen ist, Finalist in Melbourne ’97 und Gewinner der French Open ’98. Schüttler sagt: „Ich bin jemand, der ungern verliert, ohne zu fighten“, und genau so sah es aus.

Vor einem Jahr hatte er in der vierten Runde in drei Sätzen gegen Moya verloren, diesmal gewann er in fünf, und sogar der Spanier war nach dem Ende der dreieinhalb Stunden der Meinung, der bessere Spieler habe verdient gewonnen. Es war Schüttlers erster Karriere-Sieg nach 0:2- Rückstand, der zweite Fünfsatz-Sieg in Folge bei diesem Turnier, und dass er nach dem Ende meinte, er sei total platt, das konnte man verstehen. Platt und froh und glücklich.

Seine Hoffnung, der nächste Gegner möge ebenfalls hübsch lange an diesem Abend spielen, erfüllte sich nicht ganz. Zwar hatte Roger Federer auch gut zwei Stunden lang zu tun, ehe der Sieg gegen den Ungarn Attila Savolt feststand (6:2, 7:5, 6:4), aber bis an die Grenzen wurde der Schweizer dabei nicht getrieben. Spätestens seit der Serie von Niederlagen im Kreise der Gesetzten gilt Federer (Nr. 11) als einer der Geheimfavoriten dieses Turniers; Schüttler beschreibt ihn als „absoluten Weltklassespieler“ und freut sich auf die Partie. Zweimal haben die beiden bisher gegeneinander gespielt, zweimal hat Federer klar gewonnen, aber irgendwie wäre es vielleicht mal an der Zeit für eine Veränderung.

Fest steht, dass der Sieger dieser Partie danach gegen den der Begegnung zwischen Thomas Haas und dem Amerikaner Todd Martin spielen wird – auch das eine reizvolle Kombination. Der Auftritt von Haas in Runde zwei gegen den Außenseiter Bachelot ließ nichts zu wünschen übrig bei imponierender Aufschlagstärke von Anfang bis Schluss, und auch hinterher in der Abteilung Wort zeigte er sich deutlich verbessert gegenüber dem ersten Auftritt.

Ja, natürlich sei er informiert, was sich zu Hause tue und wer wem welche E-mails geschickt habe, das Thema Davis Cup sei abgehakt und werde erst nach dem Ende des Turniers wieder behandelt, und prinzipiell habe sich nichts an seiner Bereitschaft geändert, im Februar mit dem Team in Kroatien zu spielen. Selbst zur Frage, ob es vielleicht Sinn mache, das vom DTB-Präsidenten Georg von Waldenfels angebotene Gespräch zu führen, meinte er: „Mag sein.“

Abgerundet wurde der aus deutscher Sicht erfolgreiche Tag von Marlene Weingärtner, die nach dem Sieg gegen die italienische Qualifikantin Antonella Serra Zanetti (6:4, 6:2) wie 2001 in Runde drei steht. Ob denn für sie nach dem Rücktritt von Anke Huber nun irgendetwas anders sei als neue Nummer eins des deutschen Frauentennis, wurde sie gefragt. Man erwartete eine Antwort wie: „Nein, ich denke nur ans nächste Spiel.“ Weit gefehlt. „Doch“, sagte Marlene Weingärtner, „es ist anders. Ich fühle mich einfach verantwortlich. Ich habe das Gefühl, ich müsste jetzt weiter nach vorn spielen.“ Weiter nach vorn? „Ja, in der Rangliste nach vorn. Unter die ersten 30, wenn’s geht.“ Am Samstag spielt sie gegen Meghann Shaughnessy, Nummer zwölf der Weltrangliste und nominell die Favoritin. Von bisher vier Spielen gegen die zähe Amerikanerin hat sie aber drei gewonnen. „Doch“, sagt Marlene Weingärtner, „die liegt mir irgendwie.“