Rollender Ratgeber

Hilfe bringen statt abholen lassen: Das Hamburger Job-Mobil kommt dorthin, wo viele Menschen schon lange ohne Arbeit sind  ■ Von Annette Kohlmüller

Fast kommt Ferienstimmung auf, in dem Wohnmobil mit altrosa gemusterten Polsterbänken und Schränken aus Kirsch-Furnier. „Manchmal träumen wir wirklich davon, einfach wegzufahren“, sagt Bärbel Schulz und lacht. Doch die Mitarbeiterin des Job-Club Altona hat andere Aufgaben. Sie und fünf weitere KollegInnen bieten eine mobile Arbeitsberatung für diejenigen an, die vom Arbeitsamt nur wenig Hilfe zu erwarten haben: Langzeitarbeitslose, MigrantInnen, Alleinerziehende, behinderte und ältere Menschen. „Mit dem Job-Mobil wollen wir Bewohner der sozial benachteiligten Stadtteile unterstützen“, so die Sozialarbeiterin. Deshalb steht das Gefährt jeweils für zwei bis drei Stunden an verschiedenen Orten in Lurup, Osdorf und Altona Nord – dort, wo die Arbeitslosigkeit am höchsten ist.

„Wir verstehen uns als offenes Angebot“, betont Frauke Müller, Initiatorin und Leiterin des Projekts. „Die Leute haben keinerlei Verpflichtung, wenn sie zu uns kommen. Sie müssen noch nicht einmal ihren Namen nennen.“ Damit unterscheidet sich die Arbeit der beweglichen Einrichtung grundsätzlich von der des Arbeitsamtes. „Viele der Menschen, die hier leben, haben schlechte Erfahrungen mit Behörden gemacht und trauen sich da nicht mehr hin.“ Ihr Kollege Stefan May-Dietrich deutet nach draußen, auf die kleinen, heruntergekommenen Reihenhäuser zwischen Lagerhallen und Schnellstraße: „Es gibt Straßenzüge, da wohnt niemand, der kürzer als zehn Jahre ohne Arbeit ist.“

12.30 Uhr: Der Pädagoge steigt aus. In der Haupt- und Realschule gegenüber ist der Unterricht beendet. Zeit, mit den Schülern zu reden und Info-Zettel zu verteilen. Einige der Jugendlichen kennen ihn bereits von Berufsberatungen in der Schule. Viele sind interessiert, aber so richtig traut sich niemand in den Bus. „Nächste Woche, wenn da ne hübsche Frau drin sitzt“, sagt ein 13-Jähriger. Zwei Mädchen suchen eine Ausbildungsstelle als Speditionskauffrau. Stefan May-Dietrich erklärt, dass sie im Job-Mobil Bewerbungen schreiben und sogar kostenlos Mappen und Briefumschläge bekommen können.

„Die Arbeit mit den Jugendlichen aus dem Viertel ist zäh“, findet der 37-Jährige. „Man muss immer wieder auf sie zukommen. Die wenigsten gehen von sich aus zu einem Berufsberater, schon gar nicht, wenn der am anderen Ende der Stadt beim Arbeitsamt sitzt.“ Viele brächen die Schule ab und rutschten ins kriminelle Milieu. Die Erwachsenen seien aufgeschlossener, meint er. Gerade Frauen hätten oft ein immenses Bedürfnis, über ihre Probleme zu reden: Ehestreitigkeiten, Schulden, Alkohol und sexuellen Missbrauch. „Zu einem großen Teil machen wir Sozialarbeit – und dann erst die Arbeitsberatung.“ Seit einem Jahr sind die Mitarbeiter des Job-Clubs unterwegs. Bevor sie den Bus hatten, tingelten sie mit Laptop und Rucksack durch Jugendhäuser und Stadtteilzentren. „So haben wir uns immerhin bekannt gemacht und mit anderen Einrichtungen vernetzt.“

Mittlerweile teilt sich der „Nutzmüll e.V.“, der Träger des Job Clubs, die Kosten für das Projekt mit dem Arbeitsamt und der Stadt Hamburg. Wie die Finanzierung nach dem Regierungswechsel weitergehen wird, sei noch nicht geklärt, berichtet Frauke Müller. Dass genügend Bedarf an aufsuchender Arbeitsberatung besteht, zeigen die Zahlen vom vergangenen Jahr. Allein im November wurden 245 Personen über einen längeren Zeitraum betreut, zusätzlich nahmen 317 Menschen einmalig Service-Angebote wie Internetnutzung oder Stellensuche in Anspruch.

Oft sitzen drei bis vier Leute gleichzeitig im Wagen, stellen Fragen oder blättern in Adressenlisten. Viele Gespräche dauern fast eine halbe Stunde. Meist werden weitere Termine vereinbart. Niemanden stört, dass der Platz im Wagen begrenzt ist und die beiden Bürotische nur durch eine Schiebetür getrennt sind. Dringlicher als Intimsphäre ist das Bedürfnis nach Rat und Hilfe.

15.30 Uhr: Es ist etwas ruhiger geworden und Zeit, den Standort zu wechseln: Kaffeetassen leeren, die beiden Laptops zuklappen, Papiere und Ordner in die überquellenden Wandschränke stopfen – ein letzter Blick, ob alles gut verstaut ist, dann geht es weiter - vorbei an gelb geklinkerten Mehrfamilienhäusern, vertrockneten Rasenflächen und endlosen Hochhaussiedlungen. Es nieselt, und es ist kalt. Bärbel Schulz blickt versonnen durch die Scheibe: „Im Frühling spannen wir eine Markise auf und empfangen die Leute vor dem Bus.“