Ein Glied in der Kette

Unter Mithilfe von Rückkehrer Volker Zerbe visieren die deutschen Handballer bei der EM in Schweden eine Medaille an. Schon im ersten Spiel geht es gegen Weltmeister Frankreich

von ANKE BARNKOTHE

Dass das internationale Highlight Jahr für Jahr mitten hinein in die Bundesligasaison gepflanzt wird, daran haben sich die Handball-Manager hier zu Lande mittlerweile zwar gewöhnt, ihre Zähne aber knirschen beim Gedanken daran noch immer heftig. Schließlich fehlen, rechnet man die Vorbereitungszeit mit hinzu, die Einnahmen von gut sechs Wochen – und das in den einst so umsatzstarken Monaten Januar und Februar. Der Europäischen Handball Föderation macht das nicht wirklich etwas aus, vielmehr hat sich der Termin beinahe schon eingebürgert: Und so findet auch die EM 2002 zu Jahresbeginn statt, nämlich vom 25. Januar bis 3. Februar in Schweden.

Die Ziele der deutschen Handballer für diese Zeit sind nicht ohne Ehrgeiz. „Wir wollen eine Medaille gewinnen“, sagt etwa der Lemgoer Christian Schwarzer ganz ohne Umschweife, owohl Fortuna am Tag der Gruppenauslosung nicht eben die deutschen Farben trug. „Natürlich wissen wir, dass wir mit Frankreich, Jugoslawien und Kroatien eine sehr schwere Gruppe erwischt haben“, weiß Schwarzer, am Ziel aber soll das nicht wirklich etwas ändern.

Bei Verbandspräsident Ulrich Strombach finden solche Worte naturgemäß Gefallen, ginge es nach ihm, würden die deutschen Handballer gleich ganz oben auf dem Treppchen landen. „Ich habe schon immer die These vertreten: Man kann nur Erster werden, wenn man auch Erster werden will“, sagt Strombach und lässt also keinen Zweifel, was das DHB-Team in Schweden werden soll: „Europameister.“ Dabei weiß der Gummersbacher Jurist durchaus um die Schwere der Aufgabe, wie er sogleich abmildernd nachschiebt: „Wenn nachher nur Platz vier bis sechs herauskommt, ist das auch nicht schlimm. Die Mannschaften sind in ihren Leistungen so dicht beieinander, da könnte man die Hälfte der Teilnehmer als Titelaspiranten bezeichnen.“ Umso mehr komme es darauf an, wie sich die eigene Mannschaft präsentiere. Strombach: „Wenn sie guten Handball spielt und kämpft, so wie in Frankreich, dann ist es auch kein Problem, im Viertelfinale auszuscheiden.“

Zuletzt zeigte die Formkurve der deutschen Handballer deutlich nach oben, auch wenn von den letzten vier Vorbereitungsspielen nur eines gewonnen wurde. Zumindest nach den beiden Tests am zurückliegenden Wochenende aber dürfte es Bundestrainer Heiner Brand wieder etwas wohler sein in seiner Haut. Zwar waren Schwarzer und Kameraden im Spiel gegen Russland (26:32) ohne wirkliche Siegchance geblieben, immerhin aber zeigten sie sich eine Halbzeit lang als ebenbürtiger Gegner. Und zumindest das letzte Testspiel wurde dann verdient und auch deutlich gewonnen: 24:20 hieß es gegen Dänemark.

Das Wohlbefinden von Brand dürfte sich vor allem auch deswegen gesteigert haben, weil er nach anderthalb Jahren Nationalmannschaftsabstinenz erstmals wieder den Lemgoer Rückraumspieler Volker Zerbe mit im Team hatte. „Zerbe hat sofort gezeigt, dass er eine große Verstärkung für uns sein kann“, freute sich Brand, ohne dem Rückkehrer zu viel Druck aufbürden zu wollen: „Wir dürfen ihn auf keinen Fall als Retter sehen. Er ist ein Glied in der Kette.“ Ein wichtiges Kettenglied aber allemal, schon weil der 33-jährige Linkshänder auf seiner Position bisher kaum adäquat ersetzt werden konnte, nicht zuletzt weil er in Angriff wie Abwehr gleichermaßen stark ist. Hinzu kommt, dass Brand nun über einen Lemgoer Block verfügt, neben Zerbe und Schwarzer sind vom Bundesligatabellenführer auch noch Daniel Stephan, Markus Bauer, Florian Kehrmann sowie Torwart Christian Ramota mit von der Partie. Und wie wichtig es ist, mit einem eingespielten Ensemble ins Turnier zu starten, dürfte sich schon am Freitag zeigen. Dann nämlich steht die erste Partie der Deutschen an – gegen Weltmeister Frankreich.