Karsai überzeugt die Geberländer

Bei der Geberkonferenz für Afghanistan in Tokio zielt die internationale Gemeinschaft auf eine koordinierte Entwicklung von unten. Treuhandfonds sollen die zugesagten Gelder verwalten, Übergangsregierung verspricht unabhängige Buchprüfung

aus Tokio ANDRÉ KUNZ

Für die kriegsgeschädigte Bevölkerung Afghanistans ist gestern die Aussicht auf eine bessere Zukunft einen großen Schritt näher gerückt. Die Zusagen für Aufbauhilfe aus rund 60 Geberländern belaufen sich für das erste und entscheidende Jahr auf über 1,3 Milliarden US-Dollar. Längerfristig wurden insgesamt drei Milliarden Dollar versprochen. Dabei betonten sämtliche Delegationen, dass die internationale Aufbauhilfe eng mit der Übergangsregierung koordiniert, basisorientiert und langfristig ausgerichtet sein müsse. „Die Welt kann sich keine vergessenen Regionen mehr leisten“, erklärte die deutsche Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD).

„Der Ton an dieser Konferenz ist neu und für die gesamte internationale Entwicklungszusammenarbeit ermutigend“, sagte Walter Fust, der Vorsitzende der Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit. Fust organisiert seit 1996 im Rahmen der internationalen Afghanistan Support Group humanitäre Hilfe für das Land. „Die Einsicht, dass die Arbeit an der Basis am wichtigsten ist, dass Projekte mit rascher Wirkung Priorität besitzen und die Koordination breit abgestützt sein muss, darf als Wendepunkt in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit bezeichnet werden“, erklärte er.

Der souveräne Auftritt des afghanischen Interimsregierungschefs Hamid Karsai spielte eine entscheidende Rolle für die Freizügigkeit der Geberländer. Karsai und weitere fünf Regierungsmitglieder versprachen eine transparente Verwendung der Gelder, die von einer internationalen Buchprüfungsfirma kontrolliert werden solle.

Für die Verwaltung der zugesagten Mittel stehen derzeit zwei Treuhandfonds bereit. Dabei wird der Treuhandfonds von Weltbank und UN-Entwicklungsprogramm UNDP vorerst die Hauptrolle spielen, um die laufenden Kosten für den Aufbau einer funktionierenden Verwaltung zu decken. In einen zweiten Wiederaufbaufonds werden später die Hauptgelder fließen. Dieser Fonds soll gemäß den Plänen der Weltbank von einem leitenden Komitee aus Vertretern der afghanischen Interimsregierung, Weltbank, UNDP, Asiatischer Entwicklungsbank, Islamischer Entwicklungsbank und Afghanistan Support Group verwaltet werden.

Die gastgebenden Japaner erwiesen sich trotz Wirtschaftskrise als die großzügigsten einzelstaatlichen Geber. Premier Junichiro Koizumi versprach 500 Millionen Dollar für die kommenden zweieinhalb Jahre. Außenministerin Makiko Tanaka, die gerade erst die Region besucht hatte, erklärte, dass Japan die Minenräumung, den Aufbau von Schulen und die Wiederherstellung eines Rechtswesens, das den afghanischen Frauen politische Macht zuerkenne, als prioritär behandle. Die Aussage wurde in Tokio als Wendepunkt in der japanischen Entwicklungshilfe gewertet – weg von Großprojekten und hin zur Basisarbeit.

Die EU wird im ersten Jahr mit 550 Millionen Euro die Hauptlast übernehmen. Chris Patten, der Kommissar für auswärtige Angelegenheiten, sagte, die EU sei bereit, längerfristig mindestens 20 bis 25 Prozent der Aufbaugelder beizusteuern. Für die EU steht der Aufbau der Landwirtschaft und damit die Bekämpfung des Opiumanbaus im Vordergrund. Zudem sollen einzelne Länder in bilateralen Entwicklungsprojekten eigene Akzente setzen.

Deutschland und Großbritannien gehören unter den EU-Mitgliedern zu den großen Geberländern. Die deutsche Ministerin Wieczorek-Zeul versprach für das erste Jahr 80 Millionen Euro. Die Hilfe soll über vier Jahre 320 Millionen Euro betragen. Afghanistan sei als Schwerpunktpartnerland ausgewählt worden. Die deutsche Entwicklungshilfe werde sich auf Bildung, den Aufbau rechtstaatlicher Strukturen und die Stärkung der Rechte der Frauen konzentrieren. Die Hilfe soll in enger Abstimmung mit internationalen Organisationen erfolgen und die Eigenverantwortung der Übergangsregierung stärken.

Karsai betonte, dass seine Regierung nur das Vertrauen der Bevölkerung gewinne, wenn sie fähig sei, die Löhne der öffentlichen Angestellten zu bezahlen. Laut UNDP-Chef Mark Malloch Brown wurden bereits 21 Millionen Dollar aus dem UNDP-Fonds bar nach Kabul transportiert. Bis Ende Janaur sollen Lehrer, Krankenhauspersonal und Beamte erstmals seit letzten März ihre Löhne ausgezahlt bekommen.