Greifer im Watt

Seeadler und Falken bevölkern neuerdings wieder den Lebensraum Wattenmeer  ■ Von Heike Wells

Greifvögel entdecken das schleswig-holsteinische Wattenmeer zunehmend als Lebensraum für sich. Er beobachte derzeit regelmäßig ein Paar Seeadler im Raum Tönning (Kreis Nordfriesland), offenbar auf der Suche nach einem neuen Revier, berichtete der Biologe Klaus Günther vom Projektbüro Wattenmeer des World Wildlife Fund (WWF) in Husum.

Und sie sind nicht die einzigen: Auch Wanderfalken wurden bereits zu häufigen Wintergästen und haben nach Angaben von Klaus Günthers Kollegen Rainer Borcherding von der Schutzstation Wattenmeer sogar schon erste Brutversuche im Watt unternommen.

Kein Wunder: An der schleswig-holsteinischen Westküste finden die Tiere nicht nur Ruhe, sondern auch Nahrung im Überfluss, also paradiesische Zustände: „Die Beutemöglichkeiten sind hier optimal“, weiß Klaus Günther. Greifvögel holen sich gern Kleintiere, wie Mäuse und Kaninchen, aber auch andere Vögel. Die tummeln sich im und rund um den Nationalpark, zum Beispiel in Schleswig-Hol-steins größtem festländischen Naturschutzgebiet, dem Beltringharder Koog nördlich von Husum, in Scharen.

Auf einer Wanderstrecke von zehn Kilometern entlang den Nordseedeichen kämen den Vogelzählern in diesen Wochen durchaus schon mal zwei bis drei Wanderfalken vor das Fernglas, berichtet Klaus Günther. Auch Habichte würden gesichtet, und die Zahl der Seeadler, die derzeit allein ihre Kreise über das flache Nordfriesland ziehen, schätzt der Biologe ungefähr auf drei bis vier.

Seine Erklärung: Mit der steigenden Zahl der Greifvögel wachse auch der Populationsdruck in deren angestammten Lebensräumen. Platz und Nahrung werden knapp. Darum orientieren sich jetzt sogar Seeadler, die große Reviere brauchen und deren schleswig-holsteinischer Bestand mit rund 30 Paaren angegeben wird, von der Ostsee-küste Richtung Westen. Dass sie hier wegen der Baumarmut kaum Nistplätze finden, nehmen sie offenbar in Kauf.

Treuester Nordseegast ist übrigens ein Wanderfalke, der sich seit vielen Jahren jeden Herbst in Wes-terhever auf der Halbinsel Eiderstedt (Kreis Nordfriesland) einfindet und dort auf dem Leuchtturm im Vorland sein Nachtquartier aufschlägt. Ob es sich immer um dasselbe Tier handelt, wissen Beobachter nicht mit Sicherheit, vermuten es aber. Auch in den letzten Wochen ist der Vogel den Angaben des Umweltverbandes zufolge gesehen worden.