Populistin für die Populisten

Drei Monate nach der Wahl fand Hamburg eine Kultursenatorin: die ehemalige „Bild“-Redakteurin Dana Horáková

Es war schon ein starkes Kulturstück. 85 Tage lang suchte der frisch gewählte Bürgermeister Ole von Beust eine Kultursenatorin für Hamburg. Suchte, suchte und kriegte nichts auf die Reihe. Nike Wagner war im Gespräch, Justus Frantz, Vicky Leandros, insgesamt angeblich zwanzig Namen. Den Zuschlag erhielt nun Dana Horáková, ehemals Kulturchefin der Bild-Zeitung.

Kultur bei Bild? Ja, richtig gelesen. „Danas Kulturstück“ hieß die Kolumne, mit der die promovierte Philosophin den Lesern des sonst eher mit nackten, toten oder dementen ZeitgenossInnen gefüllten Springer-Blatts mal bildende Kunst, mal Theater oder mal das kulturelle Erbe der Menschheit im Allgemeinen näher zu bringen versuchte.

Wer für eines der populistischsten Blätter der Republik gearbeitet hat, kann nicht ganz falsch sein in einer Stadt, die von Ronald Barnabas Schill mitregiert wird. Nachdem Michael Spreng, der frühere Chef der Bild am Sonntag, jetzt Edmund Stoiber fernsehtauglich machen darf, kann sich die Kaderschmiede Springer erneut auf die Schulter klopfen. Bei Bild musste die Kulturbeauftragte an Worten und Zeilen sparen. Als Kultursenatorin in Hamburg muss die 54-Jährige nun mit knappen Steuermitteln knausern.

Am 6. Februar soll sie ihren neuen Job antreten; davor muss nur noch die Bürgerschaft die liegen gebliebene Pesonalie abnicken. Konkrete Vorstellungen von der künftigen Hamburger Kultur habe sie noch nicht, erklärte Dana Horáková gegenüber dpa kurz nach ihrer Kür. Ihr Anliegen sei jedoch, „dass alle Kulturbereiche, die es verdienen, in dieser Stadt eine Chance haben werden“. Das klingt positiv und hat den Vorteil, dass es jeder verstehen kann, wie er lustig ist.

Vielleicht wird sie die Hamburger ja zum Dichten anregen. Bereits 1994 hatte Frau Doktor gefragt: „Welcher Bild-Leser kann noch reimen?“ Drei Wochen lang druckte sie große Lyrik ihrer kleinbürgerlichen Leser ab. Zu Bert Brechts 100. Geburtstag erklärte sie 1998 den Bild-Käufern, dass sich das Werk des großen Literaten „mit ausgestreckten Armen kaum umfassen“ lässt, weil es „Zehntausende von Seiten“ dick ist.

Nun sollte man die Horáková nicht auf Bild reduzieren. Promoviert hat sie in Prag über „Meister Eckhardt als Vorgänger Martin Heideggers“. 1979 kam sie nach Deutschland und machte schon bald Karriere, schrieb für Burdas Bunte, für Westermanns Monatshefte, für die Welt und brachte es bis zur stellvertretenden Chefredakteurin der Welt am Sonntag.

Gerne berichtet sie von der anderen Dana und ihrer Zeit in ihrer Heimatstadt Prag. Sie habe einem Freundeskeis um Vaclav Havel angehört, erinnerte sie sich neulich für das Hamburger Abendblatt, einem Freundeskreis, aus dem sich später die Bürgerrechtsbewegung Charta 77 rekrutiert habe. Ihre Wohnung sei zum Treffpunkt oppositioneller Künstler, Denker und Studenten geworden. Bei einer solchen Schilderung werden wir natürlich hellhörig und denken an Wolf Biermann und dessen Chausseestraße 131, wo sich die DDR-Intelligenz traf. Der singende Schnauzbart macht ja mittlerweile den Kulturonkel für die Welt, für die auch Horáková tätig war. Wollen wir nur hoffen, dass sich nicht noch weitere Parallelen auftun. Sonst werden wir irgendwann Wolf Biermann als Kultursenator erleben.

ALEXANDER KÜHN